11. Durchführungsverordnung zum LS-Gesetz
Quelle

Elfte Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz

(Disziplinarstrafordnung für den Sicherheits- und Hilfsdienst I. Ordnung und Luftschutzwarndienst)

Vom 15. August 1940 (RGBl. I S.1109) in der Fassung der IV. Änderungsverordnung zum Luftschutzrecht vom 25. März 1941 (RGBl. S.168)

Auf Grund des §12 des Luftschutzgesetzes in der Fassung vom 8. September 1939 (Reichsgesetzbl. I S.1762) wird für die Dauer des Krieges verordnet:

§ 1

(1) Handlungen (und Unterlassungen) gegen die Zucht und Ordnung im Sicherheits= und Hilfsdienst I. Ordnung und Luftschutzwarndienst (Disziplinar­übertretungen) können durch den Disziplinar­vorgesetzten bestraft werden.
(2) Abs. 1 gilt nicht für die Fälle, die unter ein Strafgesetz fallen, mit Ausnahme von leichten Verstößen gegen die Luftschutz­dienstpflicht nach § 9 des Luftschutzgesetzes.

§ 2

Disziplinarstrafen dürfen nur bei schuldhaftem (vorsätzlichem ode fahrlässigem) Handeln verhängt werden. Der Disziplinar­vorgesetzte entscheidet nach pflichtmäßigem Ermessen, ob und wie eine Disziplinarübertretung zu bestrafen oder ob von einer Bestrafung abzusehen ist.

§ 3

Der Disziplinarstrafgewalt sind alle nach §§ 9 und 13 der Ersten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz in der Fassung der Bekannt­machung vom 1. September 1939 (Reichsgesetzbl. I S.1630) zum Sicherheits= und Hilfsdienst I. Ordnung und Luftschutz­warndienst herangezogenen und einberufenen Personen über 14 Jahre unterworfen. Die Angehörigen der Deutschen Polizei einschließlich der nichtbeamteten Hilfskräfte im Vollzugsdienst der Ordnungspolizei bleiben denfür sie geltenden Disziplinar­strafbestimmungen unterworfen.

§ 4

(1) Es können an Disziplinarstrafen im Sicherheits= und Hilfsdienst I. Ordnung und Luftschutzwarndienst nach näherer Bestimmung des Abs. 2 verhängt werden:
A. gegen Führer vom Zugführer an aufwärts:
a) Warnungen,
b) Verweise,
c) Stubenarrest oder Quartierarrest bis zu 14 Tagen;
B. gegen Mannschaften und Unterführer:
a) kleinere Disziplinarstrafen,
aa) Dienstverrichtung außer der Reihe,
bb) Ausgangsbeschränkung bis auf die Dauer von vier Wochen (Verpflichtung, bis zu einer bestimmten Stunde in die Kaserne oder in das Quartier zurückzukehren),
cc) Besoldungsverwaltung bis auf die Dauer von zwei Wochen (Entziehung der freien Verfügung über die nach der Anlage zu den Zweiten Ausführungs­bestimmungen zu § 12 der Ersten Durchführungs­verordnung zum Luftschutzgesetz zustehenden Vergütungssätze mit Auszahlen in Teilbeträgen nach Ermessen des Disziplinar­vorgesetzten), jedoch nur gegen Unverheiratete unter 35 Jahren.
Ausgangsbeschränkungen und Besoldungsverwaltung sind auch als Nebenstrafen mit den nachfolgend unter Buchst. b bis e aufgeführten Disziplinarstrafen zulässig.
b) Warnungen,
c) Verweise,
d) gelinder Arrest bis zu vier Wochen,
e) geschärfter Arrest bis zu 14 Tagen.
(2) Arreststrafen und Ausgangsbeschränkung können nur gegen Angehörige des Sicherheits= und Hilfsdienstes I. Ordnung verhängt werden. Sie sind ferner nur zulässig, wenn die Angehörigen des Sicherheits= und Hilfsdienstes I. Ordnung kaserniert sind.
Gegen Jugendliche unter 18 Jahren und gegen weibliche Angehörige dürfen Arreststrafen in keinem Falle verhängt werden.
(3) Über die Verhängung der Strafen im einzelnen erläßt der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe nähere Bestimmungen.

§ 5

Ein und dieselbe Disziplinarübertretung darf nur von einem Vorgesetzten und nur mit einer Disziplinarstrafe geahndet werden. Auch mehrere selbständige, gleichzeitig zur Entscheidung reife Disziplinar­übertretungen dürfen, soweit für sie ein und derselbe Disziplinar­vorgesetzte zuständig ist, nur mit einer Disziplinar­strafe belegt werden. Die Verhängung der nach § 4 Abs. 1 B Buchst. a zugelassenen Nebenstrafen wird hierdurch nicht berührt.

§ 6

Disziplinarvorgesetzte sind:
I. für den Sicherheits= und Hilfsdienst I. Ordnung:

  1. der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe,
  2. die Chefs der Luftflotten,
  3. die Befehlshaber der Luftgaue,
  4. die Inspekteure der Ordnungspolizei,
  5. die örtlichen Luftschutzleiter,
  6. die Kommandeure der örtlichen Schutzpolizei,
  7. die Kommandeure der Luftschutzgruppen,
  8. die Kommandeure der Luftschutzabschnitte,
  9. die Kommandeure der motorisierten Abteilungen des Sicherheits= und Hilfsdienstes,
  10. die Führer von Luftschutzabteilungen,
  11. die Luftschutzbereitschaftsführer;
II. für den Luftschutzwarndienst:
  1. die unter I Nrn. 1 bis 3 genannten Vorgesetzten,
  2. die Führer der Luftschutzwarnzentralen.

§ 7

(1) Die Disziplinarstrafgewalt übt der unmittelbare Disziplinarvorgesetzte des Täters aus.
(2) Höhere Vorgesetzte sind in erster Linie dann zuständig, wenn die Disziplinarübertretung ihnen zur Entscheidung und Bestimmung der Strafe gemeldet oder wenn die Straftat gleichzeitig von mehreren begangen ist, für die verschiedene Disziplinarvorgesetzte zuständig sind.

§ 8

(1) Es können verhängen:
I. Der Führer einer Luftschutzbereitschaft gegen Mannschaften und Unterführer:
a) kleinere Disziplinarstrafen,
b) Warnungen,
c) Verweise.

II. Der Führer einer Luftschutzabteilung:

  1. gegen Führer vom Zugführer an aufwärts:
    a) Warnungen,
    b) Verweise;
  2. gegen Mannschaften und Unterführer:
    a) kleinere Disziplinarstrafen,
    b) Warnungen,
    c) Verweise.
III. Die Kommandeure der Luftabschnitte und die Kommandeure der motorisierten Abteilungen des Sicherheits= und Hilfsdienstes:
  1. gegen Führer vom Zugführer an aufwärts:
    a) Warnungen,
    b) Verweise,
    c) Stubenarrest (Quartierarrest) bis zu drei Tagen;
  2. gegen Mannschaften und Unterführer:
    a) kleinere Disziplinarstrafen,
    b) Warnungen,
    c) Verweise,
    d) gelinden Arrest bis zu sieben Tagen,
    e) geschärften Arrest bis zu fünf Tagen.
IV. Die örtlichen Luftschutzleiter und Kommandeure der örtlichen Schutzpolizei in den Luftschutzorten I. Ordnung ohne Luftschutz­abschnitte, die Kommandeute der Luftschutzgruppen:
  1. gegen Führer vom Zugführer an aufwärts:
    a) Warnungen,
    b) Verweise,
    c) Stubenarrest (Quartierarrest) bis zu fünf Tagen;
  2. gegen Mannschaften und Unterführer:
    a) kleinere Disziplinarstrafen,
    b) Warnungen,
    c) Verweise,
    d) gelinden Arrest bis zu 14 Tagen,
    e) geschärften Arrest bis zu sieben Tagen.
V. Die örtlichen Luftschutzleiter und Kommandeure der örtlichen Schutzpolizei in den Luftschutzorten I. Ordnung mit Luftschutz­abschnitten:
  1. gegen Führer vom Zugführer an aufwärts:
    a) Warnungen,
    b) Verweise,
    c) Stubenarrest (Quartierarrest) bis zu zehn Tagen;
  2. gegen Mannschaften und Unterführer:
    a) kleinere Disziplinarstrafen,
    b) Warnungen,
    c) Verweise,
    d) gelinden Arrest bis zu drei Wochen,
    e) geschärften Arrest bis zu zehn Tagen.
VI. Dem im § 6 unter Ziffer I Nrn. 1 bis 4 genannten Disziplinarvorgesetzten stehen gegen Angehörige des Sicherheits= und Hilfsdienstes I. Ordnung sämtliche im § 4 aufgeführten Disziplinar­strafen in vollem Umfang zu.
(2) Die Führer der Luftschutzwarnzentrale haben gegen Angehörige des Luftschutzwarndienstes die Disziplinar­befugnisse gemäß Abs. 1 Ziffer I. Den im § 6 unter Ziffer I Nrn. 1 bis 3 genannten Disziplinar­vorgesetzten stehen gegen Angehörige des Luftschutz­warndienstes die im § 4 aufgeführten Disziplinarstrafen in vollem Umfang zu.

§ 9

Der Disziplinarvorgesetzte muß entsprechend der ihm übertragenen hohen Verantwortung mit strenger Unparteilichkeit verfahren und den Sachverhalt durch mündliche oder schriftliche Verhandlungen aufklären, wenn Zweifel über die Schuld oder über den Grad der Strafbarkeit vorliegen. Dem Beschuldigten ist Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben.

§ 10

Der Disziplinarvorgesetzte hat bei der Frage, ob und wie zu bestrafen ist, in erster Linie die Art der Verfehlung und den Grad der Gefährdung der dienstlichen Belange zu berücksichtigen. Im übrigen hat er, insbesondere bei Art und Maß der Strafe, unter möglichster Schonung des Ehrgefühls des Beschuldigten auf seine Eigenart und bisherige Führung Rücksicht zu nehmen. Rückfall soll im allgemeinen härter bestraft werden als eine erstmalige Verfehlung.

§ 11

Disziplinarübertretungen dürfen drei Monate nach dem Vergehen nicht mehr bestraft werden. Werden wegen des Falles von einem Disziplnar­vorgesetzten oder einem Strafgericht Ermittlungen angestellt oder ist der Fall Gegenstand einer Beschwerde nach § 21 der Ersten Durchführungs­verordnung zum Luftschutzgesetz in der Fassung der Bekannt­machung vom 1. September 1939 (Reichsgesetzbl. I S.1630), so ist die Zeit des Ermittlungs= oder Beschwerde­verfahrens in die Frist nicht einzurechnen.

§ 12

Hält ein Disziplinarvorgetzter eine Disziplinarstrafe für erforderlich, die seine Strafbefugnisse übersteigt, hat er den Vorgang unter schriftlicher Meldung dem nächsthöheren Disziplinar­vorgesetzen vorzulegen.

§ 13

(1) Eine Disziplinarstrafe ist mit ihrer dienstlichen Bekanntgabe an den Beschuldigten verhängt und darf nach diesem Zeitpunkt von dem Disziplinar­vorgesetzten, der sie verhängt hat, nicht mehr aufgehoben oder abgeändert werden.
(2) Unzulässige oder von einem nicht zuständigen Vorgesetzten verhängte Disziplinarstrafen sind von dem höheren Disziplinar­vorgesetzten abzuändern oder aufzuheben.

§ 14

(1) Disziplinarstrafen werden nach Ablauf einer Nacht seit der Bekanntgabe an den Bestraften, und nachdem der Bestrafte die Möglichkeit zur Beschwerde gehabt, aber nicht ausgenutzt hat, unverzüglich vollstreckt. Wird vor der Vollstreckung, bei Arreststrafen vor dem Befehl zum Strafantritt, Beschwerde (§§ 15 und 16) eingelegt, so wirkt sie aufschiebend bis zur Entscheidung durch den nächsthöheren Disziplinar­vorgesetzten.
(2) Die Disziplinarstrafen werden von demjenigen vollstreckt, der sie verhängt hat. Dieser kann nötigenfalls eine andere Dienststelle um Vollstreckung ersuchen.

§ 15

(1) Die Beschwerde über eine Disziplinarstrafe darf frühestens, nachdem eine Nacht seit der Bekanntgabe vergangen ist, und muß spätestens innerhalb von sieben Tagen (einschl. Sonn= und Feiertage) schriftlich, mündlich oder zur Niederschrift bei dem Disziplinar­vorgesetzten eingelegt werden, der die Strafe verhängt hat. In diese Frist wird der Tag der Bekanntgabe der Disziplinarstrafe nicht eingerechnet.
(2) Eine Beschwerde kann nur von dem Bestraften eingereicht werden. Eine Vermittlung in Beschwerde­angelegenheiten ist unzulässig.
(3) Eine Beschwerde kann jederzeit zurückgezogen werden; sie ist dadurch erledigt. Dies ist schriftlich festzulegen.
(4) Der bestrafende Disziplinarvorgesetzte hat die Beschwerde unverzüglich mit seiner Stellungsnahme dem nächsthöheren Disziplinar­vorgesetzten weiterzureichen.
(5) Die Entscheidung des nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten ist mit größter Beschleunigung herbeizuführen. Gegen diese Entscheidung ist eine weitere Beschwerde innerhalb sieben Tagen an den nächsthöheren Disziplinar­vorgesetzten gegeben. Dieser entscheidet endgültig.

§ 16

Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte kann in den ihm nach § 15 zur Entscheidung vorgelegten Beschwerdefällen, soweit nicht die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen wird, die erkannte Strafe aufheben, mildern oder verschärfen. § 10 findet entsprechende Anwendung.

§ 17

Das für die Ausübung der Disziplinarstrafgewalt nötige Verantwortungsgefühl muß bei den untergebenen Disziplinarvorgesetzten durch eingehende wiederholte Belehrung durch die höheren Disziplinar­vorgesetzten geweckt und wachgehalten werden. Die höheren Disziplinar­vorgesetzten haben daher bei jeder sich bietenden Gelegenheit die richtige Handhabung der Disziplinar­strafgewalt an Hand der einzelnen Fälle sorgfältig zu prüfen und zu überwachen. Stellt sich derartigen Prüfungen im Einzelfall eine vorschriftswidrige Bestrafung heraus, so ist der nächsthöhere Disziplinar­vorgesetzte berechtigt, innerhalb eines Jahres seit der Bekanntgabe der Strafe die Strafe zugunsten des Bestraften abzuändern oder aufzuheben.

§ 18

Wird eine Strafe aufgehoben oder gemildert, so ist dies dem Bestraften bekanntzugeben. Wird die Strafe nach der Verbüßung verschärft, so ist die schärfere Strafe nachträglich zu vollstrecken, die verbüßte mildere Strafe jedoch anzurechnen. Ist die Strafe erst teilweise verbüßt, so ist bei einer Milderung oder Verschärfung der noch zu verbüßende Teil entsprechend zu bemessen.

§ 19

Über die Disziplinarstrafen im Sicherheits= und Hilfsdienst I. Ordnung und Luftschutzwarndienst ist bei den gemäß § 7 an erster Stelle zuständigen Disziplinar­vorgesetzten unter ständigem Verschluß ein Strafbuch nach anliegendem Muster zu führen. Jede Disziplinarstrafe sowie ihre etwaige Verschärfung, Milderung oder Aufhebung und ihre Vollstreckung ist räumlich zusammen­hängend in dem Strafbuch zu vermerken. Alle Eintragungen in das Strafbuch sind umgehend von dem Disziplinar­vorgesetzten zu unterschreiben.

§ 20

(1) Alle Disziplinarstrafen eines nach dieser Vorschrift Betraften müssen nach einem Zeitraum von zwei Jahren getilgt werden, sofern eine weitere dienstliche, gerichtliche oder durch polizeiliche Strafverfügung verhängte Bestrafung in diesem Zeitraum nicht eingetreten ist.
(2) Die Tilgung erfolgt durch schwärzen oder Überkleben des entsprechenden Textes im Strafbuch. Der Disziplinar­vorgesetzte hat die Tilgung in der Spalte “Bemerkung” unterschriftlich zu bescheinigen.

§ 21

(1) Auskunft über Disziplinarstrafen darf nur erteilt werden:

  1. an Dienststellen des Sicherheits= und Hilfsdienstes I. Ordnung und Luftschutzwarndienstes,
  2. dem Stellvertreter des Führers und den Gauleitern der NSDAP,
  3. den Dienststellen der Wehrmacht,
  4. den allgemeinen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, soweit sie zuständig sind für Strafsachen gegen Angehörige und ehemalige Angehörige des Sicherheits= und Hilfsdienstes I. Ordnung und Luftschutz­warndienstes wegen Straftaten, die diese während ihrer Zugehörigkeit zum Luftschutz begangen haben,
  5. auf Antrag eines Bestraften, wenn von diesem ein berechtigtes Interesse nachgewiesen werden kann.
(2) Getilgte Strafen dürfen in keinem Fall mitgeteilt werden.

§ 22

Eintragungen von Disziplinarstrafen in Entlassungspapiere (z. B. Führungszeugnisse) sind unzulässig.

§ 23

Der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe kann die Ausübung der Disziplinarbefugnisse in einem von ihm zu bestimmenden Umfang auch auf andere als im § 6 genannte Vorgesetzte des Sicherheits= und Hilfsdienstes I. Ordnung und Luftschutz­warndienstes übertragen und die in § 8 festgelegten Disziplinar­befugnisse ändern. Auch kann er anordnen, daß diese Disziplinar­strafordnung für den Sicherheits= und Hilfsdienst II. und III. Ordnung Gültigkeit hat.

§ 24

Diese Verordnung tritt mit Wirkung vom 1. September 1939 in Kraft.


Berlin, den 15. August 1940

Der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe
In Vertretung: Milch

[ Ohne Abschrift: Anlage 1 zu § 19 vorstehender Durchführungsverordnung: Muster für das Strafbuch im Sicherheits= und Hilfsdienst (Luftschutzwarndienst) ]
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