Jeder alliierte Luftangriff wurde während der Bombardierung durch Film- und Fotokameras dokumentiert. In den Folgetagen wurde der Angriff anhand von Luftbildern
des Zielgebiets ausgewertet. Diese wurden von Aufklärungsflugzeugen aus gemacht.
Nach dem Hauptangriff auf Braunschweig am 14./15. Oktober 1944 war es aufgrund der starken Rauch- und Qualmentwicklung zunächst nicht möglich, entsprechende
Aufklärungsfotos zu machen. Ein entsandter Fernaufklärer konnte nur Einzelobjekte erkennen und festhalten. Erst am 29. Oktober 1944 gelang es einem Flugzeug
der 22. Staffel der US-Airforce, gegen Mittag ein Luftbild aus einer Höhe von 22500 ft. (rund 6900 m) anzufertigen, auf dem das Ausmaß der Zerstörung gut erkennen war:
Auf Grundlage dieser Bilder wurde am 4. November 1944 der alliierte Interpretation Report No. K. 3293 verfasst, der die Schäden und den Erfolg des Angriffs auswertet (deutsche Übersetzung):
Quelle
VERTRAULICH
4. November 1944AUSWERTUNGS-BERICHT Nr. K.3293
Ort: Braunschweig
SCHADENSBEURTEILUNG
BERICHTSZEITRAUM:
Dieser Bericht beschreibt die Schäden am Ziel zwischen dem 14. August 1944 und dem 29. Oktober 1944 und enthält die Angriffe auf die Stadt am 1./2. und 14./15. Oktober 1944 durch die Flugzeuge des Bomber Command und auf besondere Ziele durch Flugzeuge der 8. US-Luftflotte am 22. Oktober 1944.
ALLGEMEINE BETRACHTUNG:
Die Schäden in der Stadt Braunschweig sind extrem schwer. Dieses Industrie-, Handels- und Kommunikationszentrum des Staates gleichen Namens scheint nun großflächig zerstört zu sein, und in weiten Teilen der Innenstadt ist nicht mal eine Mauer stehengeblieben. Die neuen Schäden, hauptsächlich das Ergebnis von Bränden, finden sich zumeist im Herzen der Innenstadt innerhalb der umgebenden Umflutgräben. In den winkligen Straßen und unter den altertümlichen Gebäuden herrscht große Zerstörung, besonders im nördlichen Teil, wo zwischen dem Neuen Weg und der Langen Straße nahezu kein Gebäude stehengeblieben ist. In den Außenbezirken der Stadt sind die Schäden verstreuter, in den nordöstlichen Außenbezirken jedoch auch schwer. In den Industriegebieten im Süden der Stadt sind erhebliche neue Schäden entstanden, und ein weiteres Gebiet mit Brandschäden ist im Neupetritor-Bezirk im Nordwesten erkennbar.
Neue Schäden aus diesen Angriffen können auf den Geländen von fünf vorrangigen Industriewerken ausgemacht werden. In der Flugzeugkomponentenfabrik der Mühlenbau- und Industrie AG, Neupetritor, sind wenige neue Schäden. In Süd-Braunschweig hat die Büssing NAG von der berichtet wird, dass sie im Bau von Militärfahrzeugen tätig ist neue schwere Schäden davongetragen. Beinahe jedes Gebäude auf der Westseite dieser Fabrik zeigt neue Schäden, weitere Schäden können an der Hauptgruppe der Gebäude ausgemacht werden. Alle Hauptschäden der vorangegangenen Angriffe scheinen repariert worden zu sein. Die Vereinigte Eisenbahn-Signalwerke AG, die Eisenbahn-Ausstattungen herstellt, zeigt geballte schwere neue Schäden im südlichen Teil der Fabrik. Umfangreiche Wiederherstellungsarbeiten wurden auch bei dieser Firma durchgeführt. Zuvor mit der Flugzeugreparatur beschäftigt, kann die Flugzeugreparatur GmbH jetzt als vollständig ausgebrannt betrachtet werden, auch gibt es weiteren Schaden bei den Pantherwerken, Hersteller von Fahrrädern und Motorrädern. Zehn weitere unbezeichnete Fabriken wurden beschädigt. Keine neuen Schäden konnten jedoch bei den Hauptwerksanlagen im Bezirk Wilhelmitor festgestellt werden.
Der Hauptbahnhof in der Stadtmitte ist ausgebrannt. Mehrere Bombentrichter sind im südlichen Verschiebebahnhof sichtbar, wo die Ausbesserungsarbeiten zum Zeitpunkt der Aufnahme fast vollendet sind. Der Lokschuppen im Nordbahnhof ist ausgebrannt, im Bereich des Nordbahnhofs sind schwere Schäden an Wagenhallen und Lagerschuppen sichtbar. Die wichtigsten Zerstörungen scheinen am Ausbesserungswerk entstanden zu sein, bei dem alle fünf großen Gebäude Teile des Dachs verloren haben.
In die allgemeinen Verwüstungen des Geschäfts- und Wohneigentums in der Stadtmitte und den Vorstadtgebieten sind viele öffentliche Gebäude einbezogen, unter ihnen das Rathaus, die Büros der Stadtverwaltung, die Gerichte die völlig niedergebrannt sind, die Deutsche Bank und die Hauptpolizeiwache. Sieben Gebäude der Waterloo-Kaserne sind beschädigt.
ABDECKUNG UND QUALITÄT:
FLUGNUMMER DATUM MASSSTAB QUALITÄT ABDECKUNG 106G/3352 15. Oktober 1944 1:12.000 gut Neupetritor US7/3543 29. Oktober 1944 1:11.250 gut gesamte Stadt außer äußerster nördlicher Teil
BENUTZTER VERGLEICH:
106G/2229
WÄHREND DER ÜBERSICHTSZEIT HERAUSGEGEBENE BERICHTE:
K. 3293 (direkt) Stadtgebiet 16. Oktober 1944
K. 3293 (Anhang) Stadtgebiet 29. Oktober 1944
K. 3334 (direkt) NAG-Werke 30. Oktober 1944
VERTEILER - MATERIAL:
A.C.I.U Zielplan-Braunschweig Nr.2
Foto 3046 (doppelt angefertigt mit 3045, bereits verteilt)
VERTEILER Nr. 230
484 Kopien.
VERTRAULICH A.C.I.U.
WRS/OF