Luftwaffenhelfer bei der Flakabwehr

Am 20. Oktober 1942 wurde durch das Reichsluftfahrtministerium die Meldung verlautbart, daß in Kürze die Schuljahrgänge 1926 und 1927 zum Hilfseinsatz bei der Luftwaffe eingezogen würden. Der immer stärker werdenden Luft­überlegenheit der Alliierten über Deutschland sollte so durch den Ausbau der Flakabwehr entgegen­getreten werden. Der gravierende Mangel an ausgebildetem Flak-Personal sollte dabei durch den Einsatz von Schülern und Lehrlingen ausgeglichen werden, wobei das Erziehungs­ministerium darauf bestand, dass während dieses Einsatzes der Unterricht fortgesetzt wird.
Am 18. Februar 1943, also dem Tag, in dem Goebbels den “Totalen Krieg” propagierte, werden in Deutschland die ersten “Luftwaffenhelfer” eingezogen. Im selben Monat bereits kamen auch in und um Braunschweig die ersten Jugendlichen gegen die feindlichen Bomber­verbände zum Einsatz. Zuvor erhielten die Eltern der zumeist 15 und 16 Jahre alten Schüler einen “Bescheid zur Heranziehung von Schülern zum Kriegshilfs­einsatz der deutschen Jugend in der Luftwaffe”:

Die deutsche Jugend der höheren und mittleren Schulen wird dazu aufgerufen, in einer ihren Kräften entsprechenden Weise bei der Luftverteidigung des Vaterlandes mitzuwirken, wie dies in anderen Ländern schon lange geschieht. Schüler bestimmter Klassen der genannten Schulen sollen als Luftwaffenhelfer für Hilfsdienste bei der Luftwaffe eingesetzt werden.
Hierfür wird der Schüler [Name], geboren am [Geburtsdatum] der [Schulname] Schule in [Ortsname] auf Grund der Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938 (Reichsgesetzbl. I S. 1441) bis auf weiteres zum langfristigen Notdienst herangezogen und der Luftwaffe zur Dienstleistung zugewiesen. Er hat sich am [Datum und Uhrzeit] in seiner Schule zu melden. Der Einsatz erfolgt vorläufig außerhalb der Schule. Die Schüler werden geschlossen der Einsatzstelle zugeführt.

Der Ausdruck “Luftwaffenhelfer” (an der Küste auch “Marinehelfer”) war dabei durchaus irreführend und täuschte über die wirkliche Tätigkeit der Schüler, die nicht nur Hilfsdienste erledigen mussten, sondern regulären Soldaten­dienst an den Flakkanonen, Meß- und Auswerte­geräten oder im Nachrichten­wesen taten.
Vor der Abfahrt zum Einsatzort mussten die Lebensmittel-, Kleider- und Seifenkarten abgegeben werden, Hygieneutensilien und Marsch­verpflegung für zwei Tage waren mitzubringen. Nach der Ankunft erfolgte die Einkleidung in Luftwaffen­uniformen. Auf dem linken oberen Ärmel war ein dreieckiges Abzeichen mit der Aufschrift “Luftwaffen­helfer”. Dann begann eine vierwöchige militärische Ausbildung mit Unterricht in Stuben- und Spindordnung, Verhalten in der Öffentlichkeit, Dienstgrad­abzeichen usw. und natürlich der Schießausbildung. Daneben fand meist morgens oder vormittags der Unterricht statt (18 Wochen­stunden waren vorgesehen), zu dem die Lehrer in die Flakstellungen herauskamen.

Verpflichtung von Luftwaffenhelfern 1944

Verpflichtung von Luftwaffenhelfern 1944
“Ich verspreche, als Luftwaffenhelfer allzeit meine Pflicht zu tun, treu und gehorsam, tapfer und einsatzbereit, wie es sich für einen Hitlerjungen geziemt.” – Feierliche Vereidigung in einer Flakstellung in Ölper, 1944

Ein Vorgesetzter wurde zudem als Betreuungs­lehrer eingesetzt, der die Schüler außerhalb des Dienstes erzieherisch betreuen sollte und auch die schulische Aus­bildung mit dem militärischen Dienst koordinierte.
Trotz dieses militärisch durch­organisierten Tages­ablaufs hatten die “Luftwaffen­helfer” keinen militärischen Status und blieben als “Wehrmachts­gefolge” der Hitler­jugend (HJ) unterstellt. Sie bekamen so auch keine Zigaretten­zuteilungen, sondern Kekse und Vitamin­drops. Als “Luft­waffenhelfer” hatte man außerhalb des Lagers neben der normalen Gruß­pflicht der Wehr­macht folgende Personen und Gegen­stände zu grüßen:

  • das HJ-Führerkorps und alle HJ-Führer mit Kriegsauszeichnungen,
  • Angehörige der NSDAP mit ihren Gliederungen,
  • Träger des Blutordens 1,
  • Träger des goldenen Parteiabzeichens,
  • Angehörige der Waffen-SS, des RAD, der Polizei, der Technischen Nothilfe, des Bahn- und Postschutzes,
  • die Wimpel der HJ und des BDM,
  • Fahnen und Standarten der NSDAP,
  • Trägerinnen des Mutterkreuzes,
  • Feldzeichen der alten und neuen Wehrmacht
  • Ehrenmale der NSDAP und Gefallenenehrenmale

Da der Ausgang sonst nur aus Grüßen bestanden hätte, wurde beim Verlassen des Geländes die HJ-Armbinde meist sofort abgemacht.
In Braunschweig waren “Luftwaffenhelfer” in mehreren Batterien eingesetzt, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt waren:

Schwere FlakMittlere-/ Leichte Flak
AbtstraßeBienrode
BroitzemLehndorf
BürgerparkLuther-Werke
LammeNiemo Kralenriede
LünischteichStreitberg
MelverodeVeltenhof
ÖlperWaggum

Bei Luftangriffen kamen dabei mindestens 13 “Luftwaffenhelfer” ums Leben. Allein vier “Luftwaffenhelfer” starben bei einem Angriff am Vormittag des 26. April 1944, als Bomber­verbände die nördlichen Stadtgebiete um das Siegfried­viertel mit Spreng- und Minen­bomben belegten. Die Flakstellung am Eintracht­stadion erhielt dabei schwerste Treffer. Im Verlauf des Krieges kamen auch Schüler aus Celle und Flensburg in Braunschweig als “Luftwaffenhelfer” zum Einsatz.
Die starken Luftangriffe bei Tag und Nacht ließen den Unterrichts­betrieb schon bald stocken und die Zahl der Fehlstunden, die kaum mehr aufzuholen waren, wuchs. Bei der Entlassung aus dem Dienst als “Luftwaffenhelfer”erhielten die Schüler ein Luftwaffen­helferzeugnis ausgehändigt. Auf einen brauchbaren Schul­abschluss mussten sie jedoch verzichten: Viele Schüler hatten zuhause oft schon die nächste Einberufung, diesmal zum Reichs­arbeitsdienst, vorliegen.