Der “Kreisbefehlsstand” am Nussberg

Anfang des Jahres 1944 begannen am Nussberg die Bauarbeiten für einen neuen Befehlsbunker, die “Stollenanlage Nussberg-West”, oder meist einfach “Kreisbefehlsstand” genannt. Dieser wurde überwiegend von Kriegsgefangenen und Insassen des berüchtigten Arbeits­erziehungslagers 21 aus Salzgitter-Hallendorf erbaut. Die Arbeiter mussten im Dauereinsatz ein bombensicheres Stollen­system in den Bergrücken zwischen Franzschem Feld und dem damaligen “Thing-Platz” 1 treiben. Auch Nachts wurde unter Einsatz von Schein­werfern gearbeitet. Nur bei Luftalarm wurde die Baustelle verdunkelt und die Arbeit ruhte kurzzeitig. Über der Stollenanlage entstand zudem ein massiver Betonbunker, der über ein Treppenhaus Zugang zum Stollen herstellte und zur Beobachtung des Umfelds diente.
Die Anlage sollte dazu dienen, die Arbeitsfähigkeit der Partei- und Polizeileitung im bis dahin in weiten Teilen zerstörten Braunschweig aufrecht zu erhalten. Auch die Luftschutz-Warnzentrale verlegte nach Fertigstellung des Baus ihre Tätigkeit hierher.
Der Aufbau der Anlage lässt sich anhand des Zeitzeugenberichts von Karl Traupe nachvollziehen:

Quelle

Der Eingang zum sogenannten Parteistollen entstand etwa auf halber Höhe zwischen der unteren Spiel- und Bühnenfläche des Thingplatzes und dem sich westlich anschließenden Abhang vom Franzschen Feld. Die relativ schmale Eingangstür (1m x 2,25m) wird von einem mächtigen Betonkorpus eingerahmt, der Abmessungen von 10,65m Länge und 4,80m Höhe aufweist. Auf beiden Seiten schließen sich betonierte Stützmauern von 1,4m Höhe und einer Länge von 2,9m (südlich) und 6,9m (nördlich) an. Lüftungsrohr und Schornstein oberhalb des Baukörpers waren um etliches höher als heute sichtbar ausgeführt.
Hinter der Eingangsöffnung (Bild) des Parteistollens befand sich links die übliche Gas- bzw. Druckschleuse, bewehrt mit Panzertüren. Anschließend führte der Stollen in westlicher Richtung ins Innere. Er war nicht durchgehend betoniert oder ausgemauert, sondern vor allem mit hölzernen Stempeln beidseitig abgestützt. Im Laufe der Zeit sickerte mangels ausreichender Isolierung Wasser durch, so dass es ständig von der Decke herab tropfte. Holz- und Stahlplatten mussten in den Gang gelegt werden, damit man nicht durch den rotbraunen tonigen Schlamm gehen mußte.
Nach etwa 40m knickte der Stollen rechtwinklig nach rechts, also nach Norden ab und traf nach gut 20m auf den sogenannten Polizeistollen. Dieser Stollen begann ebenfalls auf halber Höhe des Hanges, lag aber etwas tiefer als der Parteistollen. Auch sein Eingang befand sich innerhalb eines Betonkörpers. Der Betonkorpus ist 5m lang und wohl ca. 3,50m hoch. Nördlich schließt sich eine Stützmauer aus rötlichen Sandsteinquadern von gut 12m Länge an. in rund 40m Tiefe führten einige betonierte Stufen auf das Niveau des Parteistollens. Von diesem Punkt aus konnte man mit wenigen Schritten ein betoniertes Treppenhaus erreichen, das hinauf ins Innere eines oberirdischen Bunkers führte. (...) Decke und Außenwände des heute 4,15m hohen Bunkers weisen eine Dicke von 2,05m Beton auf. Nach Süden führte eine
schmale Tür ins Freie. Daneben war die hohe Funkantenne montiert. In Richtung Stadt befinden sich in der Außenwand vier längliche, schießscharten­ähnliche Öffnungen. Aus ihnen sollte indessen nicht, wie heute häufig fälschlich vermutet, geschossen werden. Die Schlitze sollten lediglich zum Beobachten dienen. Noch während eines Luftangriffes sollten von hier aus größere Brandstellen im Stadtgebiet festgestellt und der Feuerwehr übermittelt werden.
Von den Stollengängen führten nach beiden Seiten Türen in rundherum betonierte Räume unterschiedlicher Zweck­bestimmung. Ihre Decken waren gewölbt. Der Parteistollen nahm vor allem die Kreisleitung der NSDAP in Braunschweig auf. Es gab neben den Arbeitsräumen auch solche z. B. für den Funk- und Telefonverkehr, für Proviant, für Heizung, für Energie.

Die unterirdischen Anlagen wurden bis kurz vor Kriegsende verwendet und erst am 11. April 1945, unmittelbar vor dem Einrücken der Amerikaner in Braunschweig, im Inneren durch eine Sprengung zerstört. Am 19.5.1948 sprengten britische Pioniere dann den Beobachtungsbunker mit 18 Zentnern Dynamit und 560 Sprengkapseln. Die Ladung zerriss allerdings nur die Gussfuge in der Mitte des Bauwerks. Die östliche Hälfte zerbarst und stürzte um. Die Trümmer blieben liegen und wurden erst im April 1959 durch weitere Sprengungen des Bundes­grenzschutzes beseitigt. Der westliche Rest des Beobachtungs­bunkers wird heute als Aussichtspunkt genutzt. Von der Anlage zeugen heute ansonsten nur noch die versiegelten Eingangs­bauwerke mit den gemauerten Schornsteinen.