Rüstungsindustrie als Ziel

Braunschweigs Industrie war durch die Weltwirtschaftskrise sehr geschwächt in die 1930er Jahre gekommen. Über 50000 Menschen im Land Braunschweig waren 1933 ohne Arbeit. Nach der Machtübernahme der National­sozialisten wurde daher zunächst durch Arbeitsbeschaffungs­programme und später durch die massive Förderung der Wirtschaft die Zahl der Arbeitslosen reduziert. Die Industrien im Land wurden so kontinuierlich gestärkt und konnten später durch die Erteilung von staatlichen Aufträgen im Rüstungsbereich (im Rahmen des Vierjahresplans 1) sogar noch ausgebaut werden. Die Vereinigten Eisenbahn Signalwerke erreichten so z. B. durch einen Auftrag über Flak-Kanonen wieder Vollbeschäftigung, die Neugründung der Niedersächsischen Motorenwerke (NIMO, auch NIEMO) in Querum war das Resultat der aufblühenden Flugzeug­produktion. Dieser rasante Anstieg der Produktion führte zu Engpässen in den Rohstoffen und bei den Arbeitskräften: Am 30. Juni 1939 konnte Braunschweig 0,0 Arbeitslose auf 1000 Einwohner melden.
Zu Beginn des Krieges gehörte Braunschweig der Rüstungsinspektion XI in Hannover an. Als Rüstungskommando vor Ort residierte ein Stab im Divisionsstabs­gebäude an der heutigen Schillstraße.
Dass diese Anballung an Rüstungsindustrie, gepaart mit den zahlreichen militärischen und wissenschaftlichen Einrichtungen in der Stadt ein interessantes Ziel für die Bombardierungen der englisch-amerikanischen Bomberflotten war, ist leicht nachvollziehbar.


Rüstungsbetrieb Hergestellte Rüstungsgüter Bombentreffer am
Brg. Blechwarenfabrik GmbH,
467 Beschäftigte
Kartuschhülsen (seit 1943) 5.8.1944
Braunschweiger Hüttenwerke,
753 Beschäftigte
Teile von Großkampfschiffen, Gleitlager für U-Boot-Motore, Lager für Torpedoantrieb  
BMA (Brg. Maschinen­bauanstalt),
343 Beschäftigte
Sehrohrführungsbuchsen für U-Boot Typ XXIII 10.2.1944
Brunsviga Grimme, Natalis & Co.,
511 Beschäftigte
Trägerfrequenzgerät (seit 1939); Überträger 37 für Flak-Kommandogerät (1942/43)  
Büssing NAG,
6254 Beschäftigte
Einheitslastkraftwagen 4,5 t (seit 1940 in Großserie) 10.2.1944, 23.3.1944, 8.4.1944, 23.4.1944, 8.5.1944, 5.8.1944, 13.8.1944, 22.10.1944, 3.3.1945
Franke & Heidecke,
671 Beschäftigte
Lotfernrohre 8.5.1944, 5.8.1944, 22.10.1944
Georg Westermann KG,
207 Beschäftigte
Landkarten 10.2.1944, 23.5.1944
Karges-Hammer,
669 Beschäftigte
Kampfwagenkanone 3,7 cm; Kampfwagen­kanone 5 cm, Kampfwagen­kanone 42 (7,5 cm) 20.2.1944, 15.3.1944, 29.3.1944, 5.8.1944
Luther-Werke,
3485 Beschäftigte
Schulflugzeuge in Lizenz Focke-Wulf und Heinkel; FW58; W34 (Ju34); Bf110; Me110; Me110 G2; Me210 (bis 1942) 11.02.1941, 11.1.1944, 20.2.1944, 15.3.1944, 8.4.1944, 5.8.1944
MIAG-Ammewerk (Mühlen­bau- und Industrie­aktiengesellschaft),
6098 Beschäftigte
Panzerkampfwagen III (1937-1943), Kampfpanzer V ("Panther") (ab 1943), Jagdpanther (ab 1943), Zugkraftwagen D7 15.3.1944, 29.3.1944, 8.4.1944, 5.8.1944
MIAG Marine-Werk U-Boot-Geschütz 3,7 cm SKC/30, U-Boot-Geschütz 8,8 cm SKC/35 (bis Mai 1943), Vollrohre 3,7 cm, Flugabwehr­kanonen 3,7 cm M 42 (1943-44) 20.2.1944, 8.4.1944, 5.8.1944
Niedersächsische Motorenwerke GmbH (NIEMO),
7556 Beschäftigte
Flugmotoren in Lizenz BMW und Daimler-Benz 5.8.1944, 24.8.1944
Pantherwerke AG,
138 Beschäftigte
Trittminen T.Mi 35 (bis 1941), Führerraumdächer für Junkers Ju 352 (seit 1943)  
Schuberth-Werk,
214 Beschäftigte
Kleinvorrichtungen für Flugzeugbau  
Vereinigte Eisenbahn Signalwerke (VES),
1421 Beschäftigte
Kampfwagenkanone 3,7 cm, Panzerabwehr­kanonen, Flug­abwehrkanonen 14.1.1944, 23.3.1944, 23.4.1944, 22.10.1944
VIGA-Werk Zeitzünder S/30  
Voigtländer & Sohn AG,
2190 Beschäftigte
Zeitzünder A.Z.5045 (1939), Rundblick-Fernrohre (seit 1942), Doppelfernrohre (seit 1942), MG-Zieleinrichtungen (seit 1939), Optiken für Flakvisiere und Panzer-Ausblickköpfe 19.5.1944, 2.10.1944
Volkswagen Vorwerk,
1362 Beschäftigte
Lehren für Flugzeugbau (Ju 88), Heck und Seitenleitwerk Fi 103 (V1)  
Wilke-Werke AG,
1417 Beschäftigte
U-Boot-Spanten, U-Boot-Druck­körper, Teile für Anker­tauminen, Teile für Minenräum­gerät "Otter" 20.2.1944, 15.3.1944, 29.3.1944, 8.4.1944, 5.8.1944

Diese Liste ist natürlich bei weitem nicht vollständig und umfasst nur die bedeutenderen Rüstungsbetriebe in der Stadt Braunschweig. An vielen Stellen in der Stadt produzierten zudem Konserven­fabriken wichtige Versorgungsgüter. In den Industrie­standorten Watenstedt-Salzgitter und Wolfsburg befanden sich weitere wichtige Rüstungsbetriebe. Auch die kleineren Städte im Umland (Wolfenbüttel, Helmstedt, Schöppenstedt,...) verfügten über Zuliefer­industrie für die Rüstungs­wirtschaft. Dass bei den Flächenangriffen auf die Industrie und Verkehrs­verbindungen auch zwangsläufig die Wohngebiete der Bevölkerung mit bombardiert wurden, wurde billigend in Kauf genommen:

“Ich möchte ganz offen darüber sprechen, daß wir einzelne militärische Ziele angreifen oder ganze Städte. Selbstverständlich bomben wir lieber eure Fabriken, Docks und Eisenbahnen; das trifft Hitlers Kriegsmaschine am schwersten. Aber die Arbeiter, die in diesen Werken beschäftigt sind, wohnen dicht um sie herum. Deshalb fallen unsere Bomben auf eure Wohnhäuser und – auf euch.”

Aus einem über Deutschland abgeworfenem britischen Flugblatt, 1942