Erste Ausführungsbestimmungen
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Erste Ausführungsbestimmungen

zum § 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz

(Schutzraumbestimmungen)

Vom 4. Mai 1937 (RGBl. I S. 568)

Auf Grund des §1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 4. Mai 1937 (Reichsgesetzbl. I S.566) wird über den Bau von Schutzräumen innerhalb von Gebäuden im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe bestimmt:

I. Abschnitt
Allgemeines

  1. Schutzräume sind im gesamten deutschen Reichsgebiet zu schaffen.
  2. Bestimmungen über Schutzräume außerhalb von Gebäuden – Schutzräume als Sonder­bauten – werden gesondert erlassen.
  3. Der Schutzraum soll den Insassen beu Luftangriffen Schutz gegen die Wirkungen von Sprengbomben, insbesondere gegen Luftstoß, Luftsog, Bombensplitter und Bautrümmer, sowie gegen chemische Kampfstoffe gewähren.

II. Abschnitt
Planung der Schutzraumanlage
A. Lage und Zugang

  1. Die Schutzraum=Anlage ist in allen Fällen, in denen Kellerräume vorgesehen oder vorhanden sind, im Kellergeschoß anzuordnen. Sie soll möglichst unter Erdgleiche angelegt werden (vgl. Nrn. 39 und 40).
  2. Die Schutzraum=Anlage kann ausnahmsweise im Erdgeschoß eines Gebäudes (besonders in Mittelfluren) angeordnet werden, falls geeignete Kellerräume nicht oder nur mit verhältnis­mäßig hohen Kosten zu erstellen sind.
  3. Ungeeignet für Schutzraum=Anlagen sind Räume, in denen Dampfkessel, Heizkessel, und sonstige unter Druck stehende Gefäße, Kraft= oder Arbeits­maschinen aufgestellt sind, oder in denen explosions= oder feuergefährliche Stoffe gelagert werden.
  4. Um das Aufsuchen des Schutzraumes von allen Stellen eines Gebäudes in kürzester Zeit zu ermöglichen, soll der Zugang zu der Schutzraum­anlage in der Nähe solcher Treppen liegen, die durch alle Stockwerke des Gebäudes gehen.

B. Bezeichnung und Zweck der einzelnen Räume einer Schutzraum=Anlage

  1. Die Schutzraum=Anlage besteht aus folgenden Räumen: Gasschleuse, Schutzraum, Abortraum.
  2. Die Gasschleuse liegt vor dem Schutzraum und soll beim Betreten und Verlassen des Schutzraumes das Eindringen von chemischen Kampfstoffen in den Schutzraum verhindern (Ausnahme­bestimmungen vgl. VII. Abschnitt).
  3. Der Schutzraum dient den zu schützenden Personen während eines Luftangriffes als Aufenthaltsort.
  4. Innerhalb der Schutzraumanlage sind Aborträume zu errichten.
  5. Bei größeren Schutzraum=Anlagen mit mehreren Schutzräumen kann die Einrichtung von Geräteräumen, auch von Aufsichts=, Ruhe= und Sanitätsräumen erforderlich werden.

C. Raumgrößen

  1. Die Bodenfläche der Gasschleuse soll in der Regel nicht weniger als 5 qm betragen. Bei kleinen Schutzraum=Anlagen – für weniger als etwa 20 Personen – kann eine Fläche von 3 qm genügen. Die Mindestbreite einer Gasschleuse soll möglichst 1½ m betragen.
  2. Eine Gasschleuse kann als Zugang zu mehreren Schutzräumen dienen. Bei größeren, aus mehreren Schutzräumen bestehenden Schutzraum=Anlagen können mehrere getrennt angeordnete Gasschleusen vorgesehen werden. Der Zugang zu einem Schutzraum kann auch von einem anderen Schutzraum und nicht unmittelbar von der Gasschleuse erfolgen.
  3. Der einzelne Schutzraum soll im allgemeinen nicht mehr als 50 Personen aufnehmen. Mehrere kleine Schutzräume sind wenigen großen vorzuziehen.
  4. Für jeden Schutzrauminsassen müssen 3 cbm Luftraum vorhanden sein. Bei künstlicher Belüftung kann der Luftraum bis zu 1 cbm je Person vermindert werden, wobei jedoch eine Grundfläche von 0,6 qm je Person nicht unterschritten werden darf.
  5. Die Schutzräume sind so zu bemessen, daß die nach Aufruf des Luftschutzes in einem Gebäude wohnenden oder arbeitenden Menschen vollzählig untergebracht werden können. Für Gebäude, in denen in mehreren Schichten gearbeitet wird, sind die Schutzräume so zu bemessen, daß die Höchstzahl der bei Schicht­wechsel anwesenden Gefolgschafts­mitglieder vollzählig untergebracht werden kann. In Gebäuden mit starkem Publikums­verkehr sind auch für die vorübergehend anwesenden Personen Schutzräume zu schaffen. Für die Größe solcher Schutzräume ist der durchschnittliche Publikums­verkehr, nicht der Spitzenverkehr, zugrunde zu legen.
  6. Für etwa je 20 Schutzrauminsassen ist ein Abortsitz vorzusehen. Bei größeren Schutzraumanlagen kann für je etwa 30 Personen ein Abortsitz gerechnet werden.
  7. Die Aborträume müssen vom Schutzraum aus zugänglich sein. Vor den Aborträumen ist möglichst ein kleiner Vorraum anzuordnen.
  8. Trennwände zwischen Schutzraum und Aborträumen sowie Abortvorräumen sind bis zur Schutzraumdecke zu führen.
  9. Größe und Einrichtung der etwa benötigten Geräte=, Aufsichts=, Ruhe= und Sanitätsräume haben sich nach den örtlichen Verhältnissen und den besonderen Erforder­nissen der betreffenden baulichen Anlage zu richten. Zugänge zu Geräte=, Ruhe= und Sanitäts­räumen sollen möglichst nicht durch Schutzräume und Gasschleuse führen.

D. Anordnung und Größe der Wandöffnungen

  1. Türöffnungen sind mit solchen lichten Abmessungen anzulegen, daß die durch DIN=Vornorm 4104 Blatt 1 und 2 genormten Raumabschlüsse für Schutzraum=Anlagen eingebaut werden können.
  2. Türöffnungen müssen mit einer gasdicht aufliegenden Schwelle von 10 cm Höhe versehen sein. Die lichte Türhöhe beginnt oberhalb dieser Schwelle. Bei größeren Schutzraum=Anlagen (für mehr als 50 Personen) sollen die Türöffnungen (Eingangs=, Gasschleusen= und Verbindungstüren zwischen mehreren Schutzräumen) nicht in einer Flucht liegen.
  3. Alle Türen müssen in der Entleerungsrichtung, d. h. nach außen, aufschlagen.
  4. Fensteröffnungen sind mit solchen lichten Abmessungen anzulegen, daß die durch DIN=Vornorm 4104, Blatt 1 und 2, genormten Raum­abschlüsse für Schutzraum­anlagen eingebaut werden können.
  5. Schutzraum=Anlagen sollen nicht mehr Fenster haben, als zu einer schnellen Durchlüftung der Schutzraum=Anlage durch Öffnen der Fenster notwendig sind.
  6. Jeder Schutzraum muß außer dem Zugang (Gasschleuse) mindestens einen Notauslaß haben. Als Notauslaß benutzte Türen – Notausgänge – oder Fenster sowie Fensterlicht­schächte – Notausstiege – sind mit solchen lichten Abmessungen anzulegen, daß die durch DIN=Vornorm 4104, Blatt 1 und 2, genormten Raum­abschlüsse für Schutzraum=Anlagen eingebaut werden können. Notauslässe müssen möglichst weit entfernt von dem Zugang liegen, um die Gefahr der Verschüttung beider Ausgänge zu verhindern. Notauslässe können auch durch unmittelbar benachbarte Schutzräume oder in Nebenräume führen, sofern von diesen aus eine schnelle Ausgangsmöglichkeit in das Freie gegeben ist.

III. Abschnitt
Konstruktive Durchbildung
A. Decken

  1. (1) Die Decke über der gesamten Schutzraum=Anlage muß außer dem Eigengewicht und der durch den Verwendungs­zweck des Gebäudes bestimmten Verkehrslast die bei einem Einsturz des Gebäudes wirkende Auftreffwucht und ruhende Last der Gebäude­trümmer aufnehmen können.
    (2) Da die tatsächlich auftretenden Belastungen durch Trümmer nicht einwandfrei ermittelt werden können, sind bei der Berechnung der Decken stellvertretende Trümmerlasten einzusetzen.
  2. Für Geschoßbauten in Vollwandbauweise beträgt die stellvertretende Trümmerlast:
    1000 kg/qm bei Gebäuden bis zu 2 Vollgeschossen,
    1500 kg/qm bei Gebäuden bis zu 4 Vollgeschossen,
    2000 kg/qm bei Gebäuden mit mehr als 4 Vollgeschossen
    (Ausnahmebestimmungen vgl. VII. Abschnitt).
  3. Die angegebenen Berechnungswerte gelten für Gebäude, deren Geschoßdecken mit einer Verkehrslast bis zu 500 kg/qm belastet werden. Bei höher belasteten Geschoß­decken ist die stellvertretende Trümmerlast um den Mehrwert der durchschnittlichen Belastung über 500 kg/qm zu erhöhen. Zur Berechnung der durchschnittlichen Belastung wird die Summe der Verkehrslasten aller Decken über den Vollgeschossen durch die Anzahl der Decken geteilt. Hierbei bleibt die Schutzraum­decke selbst unberücksichtigt.
  4. Läßt die Eigenart der Konstruktion eines Gebäudes (z. B. Gerippebau in Stahl oder Eisenbeton) das Entstehen einer Trümmerlast in den oben angegebenen Größen als unwahrscheinlich erscheinen, so kann die stellvertretende Trümmerlast auf Antrag bis zu 1000 kg/qm, ohne Rücksicht auf die Zahl der Vollgeschosse, ermäßigt werden.
  5. Bei Neubauten mit drei und mehr Geschossen ist die Schutzraumdecke mit den Umfassungswänden der Schutzraum=Anlage durch Ankerbolzen, Splinte und Dorne derartig zu verbinden, daß für 1 m Mauerlänge eine waagerechte Kraft von 1500 kg übertragen werden kann. Bolzen, Splinte und Dorne sind mindestens in der 30fachen Länge ihrer kleinsten Querschnitts­abmessung auszuführen und in verlängertem Zement­mörtel oder in Mörtel aus Wasserkalk (hydraulischer Kalk) zu verlegen. Die Schubspannung des Baustahls dieser Verbindungs­mittel darf hierbei 500kg/cm² nicht überschreiten.
  6. Die Decke muß auf den Umfassungs­wänden der Schutzraumanlage in mindestens 38 cm Breite; bei schwächeren Wänden in deren vollen Breite aufliegen. Die Schutzraum­decke soll mit den angrenzenden Decken konstruktiv möglichst nicht verbunden werden.
  7. Decken über Schutzraum=Anlagen müssen als Massivdecken hergestellt werden und eine Mindestdicke von 15 cm für die tragenden Bestandteile aufweisen.
  8. Wirtschaftlich vorteilhafte Lösungen für Schutzraumdecken lassen sich durch Verminderung (Unterbrechung) der freitragenden Länge der Deckenbalken (Unterzüge und Stützen) erreichen.
  9. Massivdecken sind gasdicht, wenn sie ohne durchgehende Fugen und rissefrei sind. In Zweifelsfällen kann die Gasdichtigkeit durch unterseitigen Putz von üblicher Dicke sichergestellt werden.

B. Wände

  1. Bei den die Schutzraumdecke tragenden Baugliedern – Tragwände, Grundmauern und Stützen – genügt eine rechnerische Berücksichtigung des Eigengewichts und der Verkehrs­last der Decke, sofern die tragenden Bauglieder durch sämtliche Geschosse des Gebäudes belastet werden. Bei der Bemessung von Baugliedern (z. B. Stützen, Pfeiler), die nur durch die Schutzraum­decke belastet werden, ist auch die stellvertretende Trümmerlast zu berücksichtigen.
  2. Für Wände in Ziegelmauerwerk dürfen nur Mauerziegel 1. Klasse mit einer Mindest­druckfestigkeit von 150 kg/cm² verwendet werden. Das Mauerwerk ist vollfugig, d. h. mit vollen Stoß= und Lagerfugen auszuführen. Es ist nur verlängerter Zementmörtel oder Mörtel aus Wasserkalk (hydraulischer Kalk) zu verwenden.
  3. Ragt die Schutzraum=Anlage bis höchstens 1,00 m über die Erdgleiche hinaus, so müssen die Umfassungswände folgende Mindestdicke aufweisen:
    Ziegelmauerwerk in verlängertem Zementmörtel oder in Mörtel aus Wasserkalk: 38 cm dick,
    Stampfbeton=Mauerwerk mit 200 kg Zement je Kubikmeter fertigen Betons: 40 cm dick,
    Eisenbetonwände mit der statisch erforderlichen Bewehrung, einer Hauptbewehrung von nicht weniger als 0,5 vom Hundert des Beton­querschnittes und mit einem Mischungs­verhältnis von 300 kg Zement je Kubikmeter fertigen Betons nach DIN 1045: 30 cm dick,
    Bruchsteinmauerwerk: Es sind Wanddicken zu wählen, die die Festigkeit von 51 cm dickem Ziegelmauerwerk besitzen.
    Bei Um= und Erweiterungsbauten können bestehende Wände in Ziegelmauerwerk und in einfachem Mörtel bei einer Dicke von 51 cm als Umfassungswände zugelassen werden. Bei Gebäuden bis zu zwei Vollgeschossen und bei offener Bebauung können bestehende Wände in Ziegel­mauerwerk und in einfachem Mörtel auch bei einer Dicke von 38 cm als Umfassungswände zugelassen werden.
  4. Ragt die Schutzraumanlage mehr als 1,00 m über die Erdgleiche hinaus, so müssen die Umfassungswände folgende Mindestdicke aufweisen:
    Ziegelmauerwerk in verlängertem Zementmörtel oder in Mörtel aus Wasserkalk: 51 cm dick,
    Stampfbeton=Mauerwerk (Ausführung wie in Nr. 39): 50 cm dick,
    Eisenbetonwände (Ausführung wie in Nr. 39): 40 cm dick,
    Bruchsteinmauerwerk: Es sind Wanddicken zu wählen, die die Festigkeit von 64 cm dickem Ziegelmauerwerk besitzen.
    Bei Um= und Erweiterungsbauten können bestehende Wände in Ziegelmauerwerk und in einfachem Mörtel bei einer Dicke von 64 cm als Umfassungs­wände zugelassen werden. Bei Gebäuden bis zu zwei Vollgeschossen und bei offener Bebauung können bestehende Wände in Ziegelmauerwerk und in einfachem Mörtel auch bei einer Dicke von 51 cm als Umfassungswände zugelassen werden.
  5. Die Zwischenwände im Inneren der Schutzraum=Anlage müssen folgende Mindestdicke aufweisen:
    Ziegelmauerwerk: 38 cm dick,
    Stampfbeton=Mauerwerk (Ausführung wie in Nr. 39): 30 cm dick,
    Eisenbetonwände (Ausführung wie in Nr. 39): 15 cm dick.
    Bei Um= und Erweiterungsbauten können bestehende Zwischenwände aus Ziegel­mauerwerk oder Stampfbeton von 25 cm Dicke zugelassen werden.
  6. Abtrennwände für Aborträume, Geräteräume u. dgl. können in beliebiger Dicke ausgeführt werden.
  7. Umfassungs= und Zwischenwände in den oben angegebenen Dicken sind gasdicht, wenn sie mit Decke und Fußboden gut verbunden, vollfugig gemauert und rissefrei sind.

IV. Abschnitt
Ausbau
A. Raumabschlüsse

  1. Raumabschlüsse für schutzraum=Anlagen – Türen, Fensterblenden, Abschlüsse für Aussteig­luken, Schornsteinöffnungen und ähnliche Abschlüsse – müssen DIN=Vornorm 4104, Blatt 1 und 2, entsprechen.
  2. Alle Öffnungen in Außenwänden sind gasdicht und, soweit sie von Spreng­bombensplittern getroffen werden können, auch splittersicher zu verschließen.
  3. Für splittersichere Raumabschlüsse ist Stahlblech am besten geeignet. Splittersichere Blenden für Fenster und Notausstiege sind an der Außenseite der Umfassungswand anzubringen.
  4. Alle Außentüren und die Türen zwischen Schutzraum und Gasschleuse sind gasdicht auszubilden und zu erhalten.
  5. Fenster= und Notausstiegsöffnungen können gegen Kampfstoffe sowohl durch gasdichte Ausbildung der Splitterblenden als auch durch besondere gasdichte Blenden an der Innenseite der Umfassungs­wand gesichert werden. Gasdichte Blenden an der Innenseite der Umfassungs­wand bieten eine bessere Möglichkeit, jederzeit vom Schutzraum aus Ausbesserungen an der Abdichtung vornehmen zu können.
  6. Alle nicht unbedingt erforderlichen Maueröffnungen sind zu vermeiden. In bestehenden Gebäuden sind alle überflüssigen Mauer­öffnungen in den Wänden der Schutzraum=Anlage zuzumauern. Sind Schornstein­reinigungs= oder andere Öffnungen nicht aus dem Schutzraum zu verlegen, so sind sie gasdicht verschließbar zu machen.

B. Schutzraumbelüftung

  1. Schutzräume müssen zu ihrer baulichen Gesunderhaltung sowie zur Lufterneuerung vor und nach dem Gebrauch durch Öffnen von Türen und Fenstern gut durchlüftbar sein.
  2. (1) Eine Anlage für künstliche Belüftung ist stets einzubauen, wenn weniger als 3 cbm Luftraum je unterzubringenden Schutzraum­insassen zur Verfügung stehen. In Schutzräumen für mehr als 20 Personen und mit 3 cbm Luftraum je Person ist die spätere Einbau­möglichkeit von Belüftungs­geräten durch Einbau von Rohrstutzen, die an beiden Enden sorgfältig zu verschließen sind, vorzusehen. Die Rohrstutzen sind gasdicht durch dei Außenwand zu führen. Die Lage derartiger Rohrstutzen ist bei Schutz­räumen, die unter Erdgleiche liegen, von außen zu kennzeichnen.
    (2) Eine Anlage für künstliche Belüftung ist immer einzubauen in Schutzraum=Anlagen mit schwankender Belegungsdichte. Ferner ist eine künstliche Belüftung immer in solchen Schutz­räumen vorzusehen, in denen während eines Luftangriffs Arbeit zu leisten ist.
  3. Eine künstliche Belüftung führt den Schutzrauminsassen während des Luftangriffs gefilterte Außenluft zu. Durch Zufuhr frischer atembarer Luft soll eine unangenehme Überwärmung und Steigerung der Feuchtigkeit der Raumluft sowie eine schädliche Kohlensäure­anreicherung verhindert werden. Eine künstliche Belüftung soll ferner im Schutzraum einen geringen Überdruck gegen die Außenluft erzeugen.
  4. Die Frischluft kann an beliebiger Stelle außerhalb der Schutzraumanlage, und zwar 3 bis 5 m über Erdgleiche, angesaugt werden. Sie muß durch Raumfilter (Schutz gegen Kampfstoffe) geführt werden.
  5. Die Einführung der Luft erfolgt durch ein oder mehrere Ansaugrohre, die im Freien aus sprödem Werkstoff (handelsübliche LNA=Rohre o. dgl.) bestehen. Bei der Anbringung der Ansaug­rohre ist darauf zu achten, daß die Muffen nach abwärts gerichtet sind. Die Ansaug­öffnung muß nach unten gerichtet und zum Schutz gegen groben Schmutz und Fremdkörper mit einem Sieb versehen sein. Zum Schutz der Raumfilter­füllung gegen Verunreinigungen durch groben Staub kann ein Staubfilter in die Ansaugleitung eingebaut werden.
  6. Die lichte Weite des Ansaugrohres richtet sich nach Durchflußmenge (muß auf dem Belüftungsgerät gekennzeichnet sein) und Rohrlänge nach folgender Tabelle:
    RohrlängeDurchflußmenge in l/min
    300600120024005000 
    bis 10 m707070100150lichte Weite in mm
    10 bis 15 m7070100125150
    15 bis 20 m7070100125200
  7. Das in das Innere des Schutzraumes führende Ende der Ansaugleitung besteht zweckmäßig aus zähem Werkstoff (z. B. Stahlrohr, Siederohr o. dgl.). Am Anschluß­ende des Rohres für das Filter ist ein Flasch entsprechend dem Rohr­durchmesser (Heiz= und Siederohr­normen) zu verwenden. Der Flansch muß in einem Abstand von etwa 10 cm von der Innenwand und von etwa 25 cm von der Unterkante der Schutzraum­decke angeordnet werden.
  8. Schornsteine und Luftkamine dürfen nicht als Ansaugleitung benutzt werden.
  9. Der Schutzraumbelüftung sind, je nach Tätigkeit der Insassen während eines Luftangriffs, mindestens folgende Luftmengen je Minute und Insasse zugrunde zu legen:
    1. Schutzräume mit nichttätigen Insassen: 20 bis 30 l je Menute und Insasse,
    2. Schutzräume, in denen während eines Luftangriffes Arbeit zu leisten ist: Je nach Örtlichkeit und Art der Arbeit sind bis zu 100 l je Minute und Insasse zuzuführen. Dabei soll aber mindestens ein einmaliger Luftwechsel je Stunde stattfinden, um einen genügenden Überdruck zu erzielen (2 bis 5 mm Wassersäule).
  10. Luftförderer mit elektrischem Antrieb müssen bis zu einer Leistung von 1200 l/min auch mit Menschenkraft (Hand oder Fuß) angetrieben werden können. Bei größeren Aggregaten mit elektrischem Antrieb sind Notstrom­anlagen außerhalb oder in einem besonderen Raum innerhalb der Schutzraum­anlage aufzustellen.
  11. Ein genügendes Durchfließen von Frischluft und Abströmen der verbrauchten Raumluft in das Freie wird durch Einbau von Überdruck­ventilen sichergestellt, die innerhalb einer Überdruck­grenze von 7 bis 10 mm Wassersäule selbsttätig in Wirkung treten. Das Überdruckventil muß als Rückschlag­ventil ausgebildet sein. Bei der Grundriß­lösung der Schutzraum=Anlage und Anordnung der Überdruck­ventile ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß zur Lüftung der Notaborte die Abluft des Schutzraumes möglichst erst in die Notaborte und von dort in das Freie abströmt. In entsprechender Weise kann auch die Luft in der Gasschleuse ausgespült werden.
  12. Liegt eine größere Zahl von Schutzräumen unmittelbar nebeneinander, so können unter Umständen auch Zentral­belüftungsanlagen mit Großfiltern eingebaut werden. (Über Notstrom­anlagen vgl. Nr. 59).
  13. Bei Zentralbelüftungsanlagen sind mindestens zwei getrennt voneinander zu verlegende Ansaugleitungen vorzusehen, so daß ein gleichzeitiges versagen oder zerstören aller Ansaug­leitungen infolge äußerer Einflüsse unwahrscheinlich ist.
  14. Umlaufverfahren (Umluftanlagen, Kreislaufsysteme), bei denen die Kohlensäure aus der verbrauchten Luft ausgeschieden und gleichzeitig Sauerstoff zugesetzt wird, sind für Schutzraum­anlagen nicht zulässig.

C. Fußboden

  1. In Schutzraum=Anlagen sind möglichst Massivfußböden (Estriche) zu verwenden.

D. Rohrleitungen

  1. Die Schutzraumanlage ist möglichst von Rohrleitungen, besonders von Gas­leitungsrohren, freizuhalten. Eine Zapfstelle für Kaltwasser ist im Schutzraum erwünscht.
  2. Sind Rohrleitungen im Schutzraum unvermeidbar, so sind sie außerhalb der Schutzraum=Anlage absperr= und entleerbar einzurichten. Außerdem sind die Durchgangs­stellen von Zu= und Ableitungen in den Decken und Wänden durch plastische Massen gasdicht und, sofern erforderlich, wärmedehnbar abzudichten.

E. Aborte

  1. Die Aborte werden in besonderen Räumen aufgestellt. Trockenklosetts mit selbsttätiger Streuvorrichtung (z. B. Torfmull) sind für Schutzraumanlagen am geeignetsten.
  2. Bei vorhandenen Abortanlagen, die als Schutzraumabort verwendet werden sollen, ist für eine gasdichte Verschließ­barkeit der Entlüftung Sorge zu tragen.

F. Abwassereinrichtung

  1. Wasserzapfstellen und Aborte mit Wasserspülung sind möglichst mit einer besonderen, von der Gebäude­entwässerung unabhängigen Abwasser­leitung auszuführen. An vorhandene Abwasser­leitungen sollen Abläufe für Wasserzapf­stellen und für Aborte mit Wasser­spülung möglichst nur dann angeschlossen werden, wenn keine Rückstaugefahr besteht.
  2. Bei Rückstaugefahr muß die Möglichkeit des Eindringens von Wasser in die Schutzraum=Anlage durch Einbau von Rückstauklappen in die Abwasserleitung verhindert werden.

G. Beleuchtung

  1. Die Zugangswege und einzelnen Räume der Schutzraum=Anlage sind zu beleuchten. Es darf kein Lichtschein außerhalb der Schutzraumanlage erkennbar sein.
  2. Innerhalb der Schutzraum=Anlage dürfen keine Sauerstoff verbrauchenden Leuchten verwendet werden.
  3. Die Beleuchtung der Schutzraum=Anlage läßt sich bei Versagen der Stromzufuhr am einfachsten durch Verwendung von elektrischen Lampen mit Trockenbatterien erzielen.
  4. Wird die Beleuchtung aus dem öffentlichen Stromnetz gespeist, so ist die Schutzraum=Anlage zweckmäßig an einen besonderen Stromkreis anzuschließen, der bei Abschaltung des Betriebsstrom­kreises nicht von der Stromzufuhr abgeschaltet wird.
  5. Wird eine besondere Notbeleuchtungsanlage vorgesehen, so ist die zur Erzeugung des Stromes notwendige Notstromanlage in einem trümmer= und splittersicheren, besonderen Raum aufzustellen. Die Notbeleuchtung­sanlage ist nach den Vorschriften des VDE auszuführen

H. Heizung

  1. Falls eine Schutzraum=Anlage aus besonderen Gründen beheizt werden soll, so darf die Wärmequelle keinen Sauerstoff verbrauchen, sofern die Heizvorrichtung sich innerhalb des Schutzraumes befindet (Rohrleitungen vgl. Nrn. 65 und 66).

J. Anstrich

  1. Decken und Wände der Schutzraum=Anlage müssen einen Anstrich mit Kalkmilch erhalten. Die Gasschleusen sind mit einem abwaschbaren Mittel zu streichen, das ein Ausspritzen des Raumes gestattet.

V. Abschnitt
Kenntlichmachung

  1. Schutzräume sind durch eine gut leserliche, dauerhafte Aufschrift kenntlich zu machen. Die Aufschriften müssen die zulässige Belegungsstärke enthalten. Bei größeren Schutzraum=Anlagen (mehr als 20 Personen) sind auch die Zugangs­wege zur Schutzraum­anlage kenntlich zu machen. Die Kenntlich­machung muß auch bei Dunkelheit lesbar sein. (Über Kenntlich­machung vgl. Vorläufige Ortsanweisung für den Luftschutz der Zivilbevölkerung, Abschnitt VI.)

VI. Abschnitt
Benutzbarkeit der Schutzraum=Anlage für andere Zwecke

  1. Die Räume einer Schutzraum=Anlage können im Frieden anderweitig benutzt werden, wenn Gewähr gegeben ist, daß sie bei Aufruf des Luftschutzes in kurzer Zeit und ausschließlich ihrem Hauptzweck zugeführt werden können. Durch anderweitige Benutzung im Frieden darf der Hauptzweck der Schutzraum­anlage nicht gefährdet werden.

VII. Abschnitt
Ausnahmebestimmungen

  1. Bei Wohnstätten, die einer Steuervergünstigung im Sinne des § 29 des Grundsteuergesetzes vom 1. Dezember 1936 (Reichsgesetzbl. I S.986) und der hierzu ergangenen Durchführungs­verordnung unterliegen, ist die Anlage einer Gasschleuse und eines Aborts nicht zu fordern, wenn das einzelne Baugrund­stück nicht mehr als 10 Wohnungen und nicht mehr als 3 Vollgeschosse aufweist. Es empfielt sich jedoch, bei der Grundriß­anordnung darauf zu achten, daß die behelfsmäßige Einrichtung einer Gasschleuse und eines Abortes nachgeholt werden kann.
  2. Die stellvertretende Trümmerlast (vgl. Nr. 28) beträgt für die vorbezeichneten Wohnstätten mindestens
    500 kg/qm bei Gebäuden bis zu 1 Vollgeschoß,
    750 kg/qm bei Gebäuden bis zu 2 Vollgeschossen,
    1000 kg/qm bei Gebäuden bis zu 3 Vollgeschossen.
    Zusatzräume im Dachgeschoß brauchen bei der Annahme als Vollgeschoß nicht berücksichtigt zu werden.
  3. Bei Eigenheimen bis zu etwa 800 cbm umbauten Raumes können Ausnahmen, wie sie für die vorstehend gekennzeichneten Wohnstätten zulässig sind, gestattet werden.
  4. (1) Bei Kleinsiedlungen und Volkswohnungen, die nach Art der Kleinsiedlungen erbaut werden, kann für Schutzräume folgende Ausführung gestattet werden:
    (2) Die Schutzraumdecke ist als Massivdecke, jedoch ohne Berücksichtigung der stellvertretenden Trümmerlast, auszuführen. Als Schutzräume können z. B. massiv eingedeckte Vorratskeller u. dgl. vorgesehen werden. Für einen behelfs­mäßigen Gas= und Splitterschutz der Schutzraum­öffnungen durch Abdichtungen, Sandsack­packungen, Sandkisten, Steinpackungen u. dgl. ist jedoch zu sorgen.
    (3) Soweit aus besonderen Gründen, z. B. wegen hohen Grundwasserstandes, der übliche Tiefkeller nicht oder nur mit verhältnismäßig hohen Kosten ausgeführt werden kann, bleibt eine Sonderregelung vorbehalten.
  5. Für ländliche Gebiete gelten die gleichen Ausnahmen wie für Kleinsiedlungen (Nr. 83).
  6. Die Baupolizei ist berechtigt, auch bei den untrer den Nrn. 80 bis 84 genannten Fällen Schutzräume nach den im I. bis VI. Abschnitt genannten Bestimmungen zu verlangen, sofern es sich um ein Bau­grundstück handelt, das durch seine Lage als stark luftgefährdet anzusehen ist. Entstehen hierdurch wirtschaftliche Härten, so entscheidet die baupolizeiliche Aufsichts­behörde im Einvernehmen mit dem zuständigen Luftgau­kommando.
  7. Die Entscheidung darüber, welche Baugrundstücke als stark luftgefährdet anzusehen sind, haben die Baupolizeibehörden von dem örtlichen Luftschutzleiter einzuholen.
  8. Bei Gebäuden, die in abgelegener, von anderen baulichen Anlagen weit entfernter Lage errichtet werden, kann auf den Einbau von Schutzräumen verzichtet werden, sofern auch die Art des Gebäudes (z. B. Förstereien) eine Luftgefährdung unwahrscheinlich macht.
  9. Falls andere Lösungen nicht gefunden werden können, kann bei der Errichtung von Schutzraumanlagen ein Überschreiten der Fluchtlinie, z. B. durch Notauslässe, Be= und Entlüftungsrohre, auf Antrag gestattet werden.
  10. Der Zugang zu einer Schutzraumanlage kann durch eine Brandmauer erfolgen, sofern der Durchbruch baupolizeilich genehmigt ist. Die Durchbruchs­öffnung ist mit einer feuerbeständigen, gasdichten Tür zu versehen.

VIII. Abschnitt
Beteiligung des Reichsluftschutzbundes und der Reichsgruppe Industrie

  1. Die Baupolizeibehörden können neben anderen Stellen insbesondere auch die Bauberatungsstellen des Reichs­luftschutzbundes bei allen Aufgaben des Selbstschutzes und des erweiterten Selbstschutzes, die Werkluftschutz­vertrauensstellen der Reichsgruppe Industrie bei allen Aufgaben des Werk­luftschutzes beteiligen.

Berlin, den 4. Mai 1937

Der Reichsarbeitsminister

In Vertretung
Dr. Krohn

Der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe

Göring

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