Zweite Ausführungsbestimmungen
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Zweite Ausführungsbestimmungen

zum § 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz

(Sonderbaubestimmungen)

Vom 2. September 1939 (RGBl. I S. 1581)

Auf Grund des §1 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 4. Mai 1937 (Reichsgesetzbl. I S.566) wird über den Bau von Schutzräumen außerhalb von Gebäuden (Luftschutzräume als Sonderbauten) im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe bestimmt:

I. Allgemeines

  1. Kann die Verpflichtung zur Schaffung von Luftschutzräumen nicht innerhalb der Gebäude erfüllt werden, so sind Luftschutzräume als Sonderbauten herzustellen.
  2. Sonderbauten sind eingeschossige, über oder unter Erdgleiche gelegene Luftschutz­raumanlagen außerhalb der Gebäude.
  3. Für die Errichtung von Luftschutzräumen als Sonderbauten gelten die Schutzraum­bestimmungen vom 4. Mai 1937 (Reichsgesetzbl. I S. 568) entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt wird.
  4. Für Sonderbauten, die nicht aus Mauerwerk oder Beton nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen ausgeführt werden, ist eine Vertriebs­genehmigung nach §8 des Luftschutz­gesetzes bei der Reichs­anstalt der Luftwaffe für Luftschutz zu erwirken.
  5. Weitergehende Anforderungen auf Grund sonstiger Bestimmungen bleiben unberührt.

II. Planung

  1. Sonderbauten können als selbständige Bauten abseits von Gebäuden errichtet oder mit Gebäuden in Verbindung gebracht oder an solche angebaut werden.
  2. Sonderbauten sind möglichst unter Erdgleiche anzulegen. Die Erdüberdeckung soll möglichst gering, etwa 50 cm oder aber größer als 5 m sein.
  3. Sonderbauten können ganz oder teilweise über Erdgleiche errichtet werden, falls die Errichtung unter Erdgleiche infolge ungünstiger Baugrund­verhältnisse oder aus besonderen, z. B. in Betriebs­verhältnissen liegenden Gründen, erschwert ist.
  4. Luftschutzraumanlagen, die aus mehreren Luftschutzräumen bestehen, sollen höchstens 250 Personen und die einzelnen Luftschutzräume nicht mehr als 50 Personen aufnehmen. Mehrere kleinere Luftschutz­raumanlagen sind wenigen großen vorzuziehen.
  5. (1) Für mehrere Gebäude auf einem oder mehreren Grundstücken kann ein gemeinschaftlicher Sonderbau errichtet werden.
    (2) Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Sonderbaues für die Insassen mehrerer Gebäude ist nur zulässig, wenn die Zugänge von den einzelnen Gebäuden zum Sonder­bau nicht länger als 100 m sind.
    (3) Die Benutzung gemeinschaftlicher Sonderbauten einschließlich ihrer Zugänge (z. B. durch Höfe und Gärten) ist zu sichern (z. B. durch Eintragung im Oblasten­buch oder Baulasten­buch oder druch Begründung einer Dienstbarkeit).
  6. (1) Sonderbauten können unterirdische oder oberirdische Zugänge und Notauslässe erhalten, die trittsicher hergerichtet sein müssen. Die Zugänge sind gegebenenfalls in geknickter Linien­führung zum Schutz gegen Bomben­splitter anzulegen, jedoch derart, daß ein ungehindertes Zuströmen der Schutz­suchenden zur Luftschutz­raumanlage gewährleistet ist.
    (2) Der Zugangsweg von den Aufenthaltsräumen der Schutzsuchenden zu den Sonderbauten soll möglichst nicht länger als 100 m sein.
  7. (1) Der Zugang zu gemeinschaftlichen Sonderbauten kann auch durch das Kellergeschoß von Nachbargebäuden geführt werden. Die hierbei notwendigen Verbindungs­türen in Brandmauern müssen feuerbeständig nach DIN 4102 sein.
    (2) Türen und Durchlässe der Zugänge können bis zum Aufruf des Luftschutzes verschlossen gehalten werden.
  8. (1) Die Raumabschlüsse für Sonderbauten müssen nach DIN 4104 ausgebildet sein.
    (2) Für Sonderbauten mit einem Fassungsvermögen von über 20 Personen sind Türen mit mindestens 0,90 m Durchgangsbreite zu verwenden.
    (3) Bei der Berechnung der notwendigen Anzahl von Türen ist davon auszugehen, daß auf Türen von 0,90 und 1,00 m Durchgangsbreite nicht mehr als 125 Personen, von 1,60m Durchgangs­breite nicht mehr als 200 Personen angewiesen sein dürfen.
    (4) Treppen dürfen nicht steiler als im Verhältnis der Höhe zur Breite wie 1: 1¼, Rampen mit einem Steigungsverhältnis nicht steiler als im Verhältnis 1 : 5 ausgeführt werden.
    (5) Treppenläufe müssen wenigstens an einer Seite Handlaufstangen haben.

III. Decken

  1. (1) Die Decke über der gesamten Luftschutzraum-Anlage muß außer der ständigen Last und der durch die Lage des Bauwerks bestimmten Verkehrslast zusätzlich die bei einem Einsturz von benachbarten Gebäuden wirkende Auftreff­wucht und ruhende Last der Gebäude­trümmer aufnehmen können.
    (2) Da die tatsächlich auftretenden Belastungen durch Trümmer nicht einwandfrei ermittelt werden können, sind bei der Berechnung der Decken neben dem Eigengewicht und den Verkehrslasten zusätzlich stellvertretende Trümmerlasten einzusetzen.
  2. Für die Decken von Sonderbauten beträgt, unbeschadet der Bestimmungen in Nr. 16 und 17, die zusätzliche stellvertretende Trümmerlast 1000 kg/m², auch wenn mit einem Auftreten von Trümmer­lasten infolge der Lage des Sonderbaues nicht zu rechnen ist.
  3. (1) Der Trümmerbereich von Gebäuden wird durch die Schattenfläche gekennzeichnet, die ein unter 45° in Richtung auf den Sonderbau fallender Lichtstrahl hervorruft.
    (2) Für Sonderbauten, die im Trümmerbereich von Gebäuden liegen, beträgt die stellvertretende Trümmerlast 1000 kg/m² bei Nachbar­gebäuden bis zu 2 Vollgeschossen, 1500 kg/m² bei Nachbar­gebäuden bis zu 4 Vollgeschossen, 2000 kg/m² bei Nachbar­gebäuden bis zu 6 Vollgeschossen, 2500 kg/m² bei Nachbar­gebäuden mit über 6 Vollgeschossen.
  4. Läßt die Eigenart der Konstruktion eines Bauwerks (z. B. Gerippebauten in Eisenbeton oder Stahl) das Entstehen der Trümmelrast in den oben angegebenen Größen als unwahrscheinlich erscheinen, so kann für die im Trümmerbereich des Bauwerks gelegenen Sonderbauten eine Ermäßigung der stell­vertretenden Trümmerlast bis zu 1000 kg/m² ohne Rücksicht auf die Zahl der Vollgeschosse bei der Baugenehmigungs­behörde beantragt werden.
  5. Bei der Berechnung durchlaufender Bauteile von Decken über Luftschutzräumen ist die stellvertretende Trümmerlast zur Hälfte als gleichmäßig verteilte, unveränderliche Last, zur anderen Hälfte als gleichmäßig über die in Betracht kommenden Einzelfelder verteilte Last in ungünstigster Laststellung in Ansatz zu bringen.
  6. Für Sonderbauten dürfen nur Eisenbetonplattendecken, Eisenbetonbalkendecken, Eisenbetonrippendecken und gewölbte Decken verwendet werden.
  7. (1) Eisenbetonplattendecken und Eisenbetonbalkendecken dürfen nicht weniger als 12 cm dick sein.
    (2) Bei Eisenbetonrippendecken müssen die Druckplatten bei einem Rippenabstand von mehr als 25 cm mindestens 10 cm, bei einem Rippen­abstand von 25cm oder weniger mindestens 8 cm dick sein.
  8. Bei Eisenbetonrippendecken sind ausnahmslos Querrippen im Abstand von nicht mehr als 1,50 m anzuordnen. Die Querrippen sind mit gleich großem Querschnitt und mit gleich großer Bewehrung wie die Tragrippen zu versehen.
  9. Die Deckenfelder von Eisenbetondecken müssen eine Querbewehrung je Meter von mindestens 5 Rundeisen mit 7 mm Durchmesser aufweisen.
  10. Die Würfelfestigkeit des Betons für alle Deckenarten muß Wb 28 ≥ 160 kg / m² betragen.
  11. Gewölbedecken sind nach den Bestimmungen des Runderlasses des Reichsministers der Luftfahrt und Ober­befehlshabers der Luftwaffe “Schutzraumbau ohne Stahl” vom 1. Juni 1937 – ZL 5 c 9268/37 – auszuführen. Jedoch sind Gewölbe aus Mauerziegeln mindestens 25 cm dick, Gewölbe aus Beton mindestens 20 cm dick auszubilden.

IV. Wände

  1. Für die Bemessung von Wänden, Stützen und Fundamenten und statisch ähnlich beanspruchten Traggliedern sind entweder die ständigen Lasten zusammen mit den stellvertretenden Trümmer­lasten oder die ständigen Lasten zusammen mit den Verkehrs­lasten in Rechnung zu setzen. Es ist die Belastungsart maßgebend, die die größte Bemessung der Tragglieder ergibt.
  2. Die Unterkanten der Fundamente der Umfassungswände müssen auch bei oberirdischen Sonderbauten mindestens 1,50 m unter Erdgleiche liegen.
  3. Für gemauerte Wände dürfen nur Steine mit einer Mindestfestigkeit von 150 kg/m² nach DIN 1053, § 4, verwendet werden. Das Mauerwerk ist vollfugig, d. h. mit vollen Stoß- und Lagerfugen auszuführen. Es ist Mörtel nach DIN 1053, § 2 Ziffer 4 d, zu verwenden (400kg Zement und 1000 l lose eingefüllter Sand, geringer Kalkzusatz).
  4. Liegt die Luftschutzanlage unter Erdgleiche oder ragt sie bis höchstens 1 m über Erdgleiche hinaus, so müssen die Umfassungswände folgende Mindestdicke ausweisen:
    Wände aus Ziegelmauerwerk ohne Bewehrung 77cm; mit Bewehrung 51 cm;
    Wände aus Stampfbeton mit mindestens 200 kg Zement je m³ fertigen Betons 50 cm;
    Wände aus Eisenbeton mit einer Bewehrung in der Hauptrichtung von mindestens 0,5 vom Hundert des Gesamtquerschnitts, einer Querbewehrung von 5 Rundeisen mit 7mm Durchmesser je m und mit 400 kg Zement je m³ fertigen Betons nach DIN 1045 25 cm;
    Wände aus Eisenbeton mit einer Bewehrung in der Hauptrichtung von mindestens 0,25 vom Hundert des Gesamtquerschnitts, einer Querbewehrung von 3 Rundeisen mit 7mm Durchmesser je m und mit 300 kg Zement je m³ fertigen Betons nach DIN 1045 35 cm.
  5. Ragt die Oberkante von Sonderbauten mehr als 1,00 m über die Erdgleiche hinaus und werden die Umfassungswände nach Nr. 28 bemessen (siehe jedoch Nr. 30), so müssen sie mit einer seitlichen Erdanschüttung von mindestens 75 cm Dicke gesichert werden, deren Böschung nicht steiler als im Verhältnis 1 : 1,5 geneigt ist. Eine Erdaufschüttung über die Decke des Sonderbaus ist hierbei nicht notwendig.
  6. Ragt die Oberkante von Sonderbauten mehr als 1,00 m über die Erdgleiche hinaus, ohne daß eine Erdanschüttung nach Nr. 29 vorgesehen wird, so müssen die Umfassungs­wände folgende Mindestdicken aufweisen:
    Wände aus Ziegelmauerwerk ohne Bewehrung 90cm; mit Bewehrung 64 cm;
    Wände aus Stampfbeton mit mindestens 200 kg Zement je m³ fertigen Betons 65 cm;
    Wände aus Eisenbeton mit einer Bewehrung in der Hauptrichtung von mindestens 0,5 vom Hundert des Betonquerschnitts, einer Querbewehrung von 5 Rundeisen mit 7mm Durchmesser je m und mit 400 kg Zement je m³ fertigen Betons nach DIN 1045 35 cm;
    Wände aus Eisenbeton mit einer Bewehrung in der Hauptrichtung von mindestens 0,25 vom Hundert des Betonquerschnitts, einer Querbewehrung von 3 Rundeisen mit 7mm Durchmesser je m und mit 300 kg Zement je m³ fertigen Betons nach DIN 1045 45 cm.
  7. Für bewehrtes Ziegelmauerwerk der Umfassungswände sind folgende Bauarten anzuwenden:
    1. Ziegelmauerwerk mit senkrechter Bewehrung.
      Für eine wirksame Verfestigung des Mauerwerks sind Eisenbetonsäulen im Mauerkörper vorzusehen.
      Zu diesem Zweck können bei der Herstellung des aufgehenden Mauerwerks quadratische oder rechteckige Röhren (nach Art von Schornstein­zügen) ausgespart und nach Einbringung der Bewehrung mit Beton (Wb 28 = 160 kg/cm²) ausgefüllt werden. Die Betonsäulen müssen 4 Rundeisen mit 8mm Durchmesser oder eine gleichwertige Bewehrung enthalten und im Querschnitt mindestens 12 x 12 cm groß sein. Erwünscht ist ein Querschnitt von 25 x 12 cm. Die Betonsäulen sind in 12 cm Abstand (½ Stein) von der Innenfläche der Mauer anzulegen. Rechteckige Säulen sind mit ihrer längeren Querschnitts­achse senkrecht zur Hauptebene zur Mauer zu legen.
      Auf 1,50 m Mauerlänge ist mindestens eine Betonsäule vorzusehen.
      An Stelle der vorstehend beschriebenen Eisenbetonsäulen können andere gleichwertige Eisenbetonkonstruktionen treten.
    2. Ziegelmauerwerk mit waagerechter Bewehrung.
      Das Ziegelmauerwerk der Umfassungwände kann mit waagerechter Bewehrung ausgeführt werden, wenn die Ausführung mit senkrechter Bewehrung aus Gründen, die durch die Bauwerksform, durch örtliche Verhältnisse oder durch die Beschaffung von Baustoffen gedingt sind, unzweckmäßig erscheint.
      Jede sechste Lagerfuge (etwa alle 50 cm) ist mit einer Bewehrung vorzugsweise aus Bandstahl mit einer Abmessung bis zu 3 x 12 mm oder Runddraht bis zu 5 mm Durchmesser mit einem Gewicht von midestens 1 kg je m² Mauerfläche anzuordnen. Die Bewehrung ist in der nach innen zu liegenden Hälfte des Mauerwerkskörpers anzuordnen.
      An Stelle des Ziegelmauerwerks mit waagerechter Bewehrung können Eisenbetonkonstruktionen treten, die die gleiche Schutzwirkung verbürgen.

V. Verbindung von Decke und Wänden

  1. (1) Sonderbauten sind nach Möglichkeit im Querschnitt als statische Rahmen auszubilden.
    (2) Die Festigkeit der Verbindung zwischen Decke und Wänden gegen Scher- und Biegebeanspruchungen muß mindestens so groß sein wie die entsprechende Festigkeit des schwächsten der beiden Teile.

VI. Sperrschichten

  1. Sperrschichten gegen aufsteigende Feuchtigkeit sind so auszubilden, daß sie die Scher- und Biegefestigkeit der Umfassungswände nicht vermindern. Bei Umfassungs­wänden aus Mauerziegeln empfiehlt sich zu diesem Zwecke die Anordnung von Schichten aus wasser­abweisendem Mörtel.

Berlin, den 2. September 1939

Der Reichsarbeitsminister

Franz Seldte

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