9. Durchführungs­verordnung zum LS-Gesetz
Quelle

Neunte Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz

(Behelfsmäßige Luftschutzmaßnahmen in bestehenden Gebäuden)

Vom 17. August 1939 (RGBl. I S. 1391)

Auf Grund des §12 des Luftschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 (Reichsgesetzbl. I S.827) wird im Einvernehmen mit den zuständigen Reichsministern verordnet:

§ 1

  1. In bestehenden Gebäuden sind behelfsmäßige Luftschutzmaßnahmen durchzuführen. Diese Verpflichtung entfällt, soweit vorschriftsmäßige Luftschutz­räume vorhanden sind oder geschaffen werden.
  2. Die näheren Bestimmungen über den Umfang dieser Maßnahmen erläßt der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe.
  3. Jedes Haus stellt in der Regel eine Luftschutz­gemeinschaft dar. Die zuständige Stelle des Reichs­luftschutzbundes benachrichtigt den Hauseigentümer, wenn sein Haus mehrere Luftschutz­gemeinschaften bildet oder mit anderen Häusern zu einer Luftschutz­gemeinschaft zusammengeschlossen wird.

§ 2

  1. Verantwortlich für die Erfüllung der Verpflichtung ist der Eigentümer, an seiner Stelle der Erbbauberechtigte oder die Nießbraucher.
  2. Zur Durchführung der Maßnahmen haben neben den nach Abs. 1 Verantwortlichen im Selbstschutz alle Personen, im erweiterten Selbstschutz und im Werkluftschutz alle Dienststellen und Betriebe, zu deren Schutz die Behelfs­maßnahmen bestimmt sind, beizutragen. Über Art und Umfang des Beitrags erläßt der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen Richtlinien.
  3. Kommt über Art und Umfang des Beitrags gemäß Abs. 2 eine Einigung nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Verpflichteten (Abs. 1)
    1. über Geldbeträge das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt,
    2. über die nicht in Geld zu erbringenden Beiträge der Ortspolizei­verwalter.
  4. Der Richter versucht, eine Einigung der Beitrags­pflichtigen zu vermitteln. Gelingt dies nicht, so bestimmt er die Höhe der von jedem Beitrags­pflichtigen zu leistenden Beiträge nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beitrags­pflichtigen. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist durch sofortige Beschwerde (Rekurs) innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung anfechtbar. Über die sofortige Beschwerde (Rekurs) entscheidet das Landgericht. Eine weitere Beschwerde (Rekurs) ist nicht zulässig. Im übrigen gelten die Bestimmungen über das Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Verfahren außer Streitsachen) entsprechend. Aus den rechtskräftigen Entscheidungen sowie aus einem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich findet die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeß­ordnung (Exekutionsordnung) statt.
  5. Gegen die Entscheidung des Ortspolizei­verwalters ist die Beschwerde innerhalb einer Frist von zwei Wochen zulässig. § 21 der Ersten Durchführungs­verordnung zum Luftschutzgesetz vom 4. Mai 1937 (Reichsgesetzblatt I S.559) findet sinngemäß Anwendung. Der Ortspolizei­verwalter kann seine Entscheidung gemäß § 6 durch Zwangsmittel durchsetzen.
  6. Im Verfahren zur Feststellung der Beitragspflicht werden Gebühren nicht erhoben; die Gebührenpflicht des gerichtlichen Beschwerde­verfahrens bleibt unberührt. Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.

§ 3

Soweit auf Grund dieser Verordnung bauliche Luftschutzmaßnahmen durchzuführen sind, die einer baupolizeilichen Genehmigung bedürfen, ist das Genehmigungs­verfahren gebührenfrei. Das gleiche gilt für das Baugenehmigungs­verfahren zum Einbau vorschriftsmäßiger Luftschutz­räume in bestehenden Gebäuden.

§ 4

Hat der Eigentümer, Erbbauberechtigte oder Nießbraucher den Besitz an Räumen, die zur Durchführung der Maßnahmen in Anspruch genommen werden müssen, auf Grund eines Miet=, Pacht=, Leih= oder sonstigen Rechtsverhältnisses einem oder mehreren anderen überlassen, so sind diese den nach § 2 Abs. 1 Verantwortlichen gegenüber verpflichtet, die Räume so weit zur Verfügung zu stellen, wie es zur Durchführung der Maßnahmen notwendig ist. Hinsichtlich der Zwangsmittel findet § 6 Anwendung.

§ 5

  1. Wird durch die Errichtung von Splitterschutz=Vorrichtungen oder die Herrichtung und Benutzung von Notauslässen die Inanspruchnahme eines Nachbar­grundstücks aus zwingenden Gründen notwendig, sind Eigentümer und Besitzer verpflichtet, die Ianspruchnahme zu dulden, es sei denn, daß ihnen die Inanspruchnahme nicht zuzumuten ist. Entschädigungen werden nicht gewährt.
  2. Ob die Notwendigkeit zur Inanspruchnahme eines Grundstücks nach Abs. 1 besteht, entscheidet auf Antrag, wenn sich die Beteiligten nicht einigen, bei genehmigungs­pflichtigen Baumaßnahmen die Baugenehmigungs­behörde, in anderen Fällen der Ortspolizei­verwalter. Hinsichtlich der Zwangsmittel findet § 6 Anwendung.

§ 6

  1. Der Ortspolizei­verwalter überwacht die Durchführung dieser Verordnung. Zur Durchführung kann er polizeiliche Verfügungen erlassen und diese mit Zwangsmitteln (Ausführung der zu erzwingenden Handlung auf Kosten des Pflichtigen, Festsetzung von Zwangsgeld – im Nichtbeitreibungsfalle Zwangshaft –, unmittelbarer Zwang) durchsetzen. Zur Erfüllung seiner Aufgabe bedient sich der Ortspolizei­verwalter insbesondere der örtlich zuständigen Stellen des Reichs­luftschutzbundes – auf dem Gebiet des Selbstschutzes – und der Reichsgruppe Industrie – auf dem Gebiet des Werkluftschutzes.
  2. § 17 außer Satz 4 und § 21, außer Abs. 3, der Ersten Durchführungs­verordnung zum Luftschutzgesetz finden entsprechende Anwendung.

Berlin, den 17. August 1939

Der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe

In Vertretung
Milch

Text der 1. Ausführungsbestimmungen zu dieser Durchführungs­verordnung
Text der 2. Ausführungsbestimmungen zu dieser Durchführungs­verordnung

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