Richtlinien für Splitterschutzzellen

Obwohl es schon seit etwa 1937 verschiedene Entwürfe für Splitterschutzzellen gab, ließ doch eine einheitliche Normierung dieser Kleinst­schutzbauten für zivile Zwecke lange auf sich warten und wurden erst 1943 verfasst. Lediglich im Bereich der Reichsbahn waren bereits zwei Jahre zuvor Richtlinien für den Bau von Splitterschutz­zellen und Brandwachen­ständen erarbeitet worden.
Den Splitterschutzzellen, die nach der unten stehenden Richtlinie hergestellt wurden, wurde am 14.1.1944 die allgemeine Vertriebs­genehmigung unter der Nummer RL3-44/1A erteilt. Viele der bis zu diesem Zeitpunkt erteilten Vertriebs­genehmigungen für Splitterschutz­zellen anderer Bauarten wurden im Lauf des Jahres 1944 widerrufen.
Die Richtlinie wurde im Verlauf des Krieges anhand gemachter Erfahrungen ergänzt (s.u.).

Quelle

Erlaß des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe
Az 41 L 42 12 Nr. 22136/43 (L In 13/3 II Ca)


Richtlinien für den Bau
von Splitterschutzzellen und -schränken
– Fassung September 1943 –


I. Splitterschutzzellen

A. Allgemeines
  1. Splitterschutzzellen dienen dem Aufenthalt eines oder mehrerer Beobachtungsposten während eines Luftangriffs. Sie schützen gegen Splitter von Sprengbomben, Volltreffern von Kleinst­abwurf­munition und Bautrümmer. Zellen für mehr als 4 Personen sind nicht zugelassen.
B. Gesamtgestaltung
  1. Es sind ortsfeste und versetzbare Ausführungsformen möglich. Die Wahl der Zellenform ist innerhalb der in den Ziffern 3 und 4 gebotenen Grenzen freigestellt. Gebäudemauern, Pfeiler usw. können bei Beachtung des Abschnittes E in den Zellenkörper einbezogen werden.
C. Abmessung des Innenraumes und Fassungsvermögen
  1. Die lichte Höhe muß mindestens 1,90m, die lichte Weite muß mindestens 0,60m betragen
  2. Für jede Person ist sowohl in Fußbodenhöhe als auch in 1,60m Höhe eine Grundfläche von mindestens 0,30qm vorgesehen. In 1,90m Höhe kann die Grundfläche halb so groß sein. Die Gesamtgrundfläche darf nicht größer als 1,5m² sein.
D. Baustoffe
  1. Splitterschutzzellen dürfen nur aus solchen Baustoffen hergestellt werden, die nach den ‘Bestimmungen für die bauliche Ausführung von Splitterschutz’ – Fassung September 1942 – für den Schutz von Menschen zugelassen sind. Bei Wahl von Beton oder Stahl­beton sind die Bedingungen für die Güte­klasse B 225 gemäß DIN 1045 – Ausgabe 1943 – einzuhalten. Die Bewehrung bei Stahl­beton ist ebenfalls gemäß den genannten Bestimmungen anzuordnen und zu bemessen.
E. Bauliche Durchbildung
  1. Für die splittersichere Bemessung von Wand und Decke gelten die entsprechenden Ziffern der ‘Bestimmungen für die bauliche Ausführung von Splitterschutz’ – Fassung September 1942. Die hiernach für Fertig­bauteile aus Stahlbeton B 225 oder Rüttelbeton mit Wb 28 = 500 kg/cm² möglichen Formen sind durch die Bedingungen der Ziff. 7 beschränkt. Wand­bauteile aus Rüttel­beton sind sinngemäß nach Bild 13 der genannten Bestimmungen auszubilden. Fertig­bauteile aus Stampf­beton sind als Mauersteine im Sinne des Absatzes B Nr. 2 (1) der ‘Bestimmungen für die bauliche Ausführung von Splitterschutz’ anzusehen.
  2. Die Splitterschutzzellen müssen gegen Beanspruchung durch Luftstoß und Trümmerlasten in ausrechendem Maße standfest und widerstandsfähig sein. Dies wird als erfüllt angesehen, wenn der Nachweis durch eine Festigkeits­berechnung, die durch einen zugelassenen Prüfingenieur geprüft ist, geführt wird. Der Ermittlung der Kräfte ist nach DIN 1055, Blatt 4, Tafel 2, mit einem Staudruck q = 2500 kg/m² vorzunehmen. Die Kräfte sind als in jeder Richtung auftretend anzusetzen.
    Die Festigkeitsberechnung erstreckt sich erforderlichenfalls auf den Nachweis der einfachen Kippsicherheit, der Schubfestigkeit in jedem waage­rechten Schnitt und der Biegungs­festigkeit von Wand und Decke. Bei zum Teil in der Erde versenkten Zellen können Erddruck und Erdwiderstand in der Kippsicherheits­berechnung mit angesetzt werden. Als höchste Beanspruchungen der verschiedenen Baustoffe sind die in den geltenden bau­polizeilichen Bestimmungen zugelassenen Werte anzunehmen.
  3. Die Einstiegöffnung ist splittersicher auszuführen. Hierfür sind nur die in den ‘Bestimmungen für die bauliche Ausführung von Splitterschutz’ – Fassung September 1942 – zugelassenen Baustoffe zu verwenden.
    Der Schutz kann erfolgen:
    1. durch eine vorgesetzte Splitterschutzwand, die nach Skizze 1 oder 2 oder
    2. durch eine splittersichere Tür, die nach Skizze 3 auszuführen ist.
    In jeder Schicht sind möglichst nicht mehr als 6 Stoßfugen vorzusehen, die in übereinander liegenden Schichten versetzt anzuordnen sind. Die in Skizze 3 unter ‘wichtig’ ausgestellten Forderungen sind verbindlich. Die Tür muß von innen und von außen zu öffnen sein.
  4. Für die Ausbildung der Schlitze ist Skizze 4 verbindlich. Die Kanten auf der Innenseite sind zweckmäßigerweise einzufassen. Die Sichtbereiche benachbarter Schlitze sollen sich im Allgemeinen seitlich überdecken und zusammen den Überwachungs­bereich der Zelle erfassen.
F. Kennzeichnung
  1. An der Innenseite der Splitterschutzzellen ist neben der Einstiegsöffnung in Augenhöhe ein Schild aus dauerhaftem Werkstoff von mindestens 6½ x 10cm Größe oder eine dauerhafte Aufschrift mit den folgenden Angaben anzubringen:
    1. Hersteller mit Namen und Anschrift
    2. Fassungsvermögen (nur Angabe der höchstzulässigen Personenzahl)
    3. Baustoff
    4. Baujahr
    5. Gewicht (nur bei nicht ortsfesten Zellen)

II. Splitterschutzschränke

A. Allgemeines
  1. Splitterschutzschränke dienen zur Aufbewahrung von Sachwerten. Ihr Schutzumfang ist der gleiche wie bei den Splitterschutzzellen.
B. Gesamtgestaltung
  1. Wie unter I.
C. Abmessungen des Innenraumes und Fassungsvermögen
  1. Die Abmessungen unterliegen keiner Beschränkung, sofern den Erfordernissen nach Abschnitt E genügt ist.
D. Baustoffe
  1. Wie unter I.
E. Bauliche Durchbildung
  1. Wie unter I, jedoch entfällt die Notwendigkeit, die Tür von Innen zu öffnen.
F. Kennzeichnung
  1. Wie unter I, jedoch ist das Schild oder die Aufschrift außen gut sichtbar anzubringen und hat den besonders deutlich lesbaren Schriftsatz: "Nur für den Schutz von Sachwerten!" zu enthalten.

III. Schlußbestimmung

  1. Die vorstehenden Bestimmungen gelten für die zum Werkluftschutz oder zum Erweiterten Selbstschutz behörenden Betriebe und Dienststellen als besondere Weisung im Sinne des § 2 Abs. 2b und 4b der Ersten Durchführungs­verordnung zum Luftschutzgesetz in der Fassung vom 31. August 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 508). Für den Vertrieb von Splitter­schutzzellen und -schränken, die den Richtlinien entsprechen, wird von der Reichs­anstalt der Luftwaffe für Luftschutz gemäß § 5 der Vierten Durchführungs­verordnung zum Luftschutz­gesetz in der Fassung vom 31. August 1943 (Reichsgesetzbl. I S. 507) eine allgemeine Vertriebs­genehmigung erteilt und im Deutschen Reichs­anzeiger veröffentlicht werden.
Quelle

Splitterschutzzellen

Der Reichsminister der Luftfahrt
Az 41 L 42 12 (Chef d. Luftf./L.In. 13/3 II C b)

St.Qu., den 10. Dezember 1944


Bezug: Erl. des RdLuObdL – Az 41 L 42 12 Nr. 22136/43 (L In 13/3 II Ca) v. 12.11.1943


Die mit obigem Bezugserlaß bekanntgegebenen “Richtlinien für den Bau von Splitterschutzzellen und -schränken” – Fassung September 1943 erhalten auf Grund von Erfahrungen aus Luftangriffen und von Versuchsergebnissen folgende Zusätze:

Zu Ziffer 2:
"Splitterschutzzellen sind möglichst über Erdgleiche anzuordnen und mit Erde im Neigungsverhältnis 1 : 2 bis zum oberen Deckelrand anzuböschen. Die Sehschlitze müssen in der Erdanböschung ausgespart werden."

Zu Ziffer 6:
"Da der Deckel der Splitterschutzzelle der Zerknallwirkung besonders stark ausgesetzt ist, sind Zelle und Deckel in einem Arbeitsgang zu betonieren und durch Eisen zu verankern. Die äußere Form der Zelle muß möglichst abgerundet sein."

Es wird gebeten, obige Forderungen bei Bauanweisungen künftig zu berücksichtigen.

I. A. Otto

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