Der Bunker Alte Knochenhauerstraße wurde in den Jahren 1940/41 im Rahmen des sogenannten Führer-Sofortprogramms
für den Luftschutzbau errichtet. Braunschweig wurde aufgrund der Rüstungsindustrie als wehrwirtschaftlich wichtig und infolge dessen als Luftschutzort
1. Ordnung eingestuft und war so in die erste Welle des Bunkerbauprogramms aufgenommen worden. Mindestens sieben Bunker wurden während dieser ersten
Phase des Luftschutzbaus in Braunschweig begonnen.
An der Stelle des heutigen Bunkers stand bis 1940 die 1875 fertiggestellte Synagoge der Jüdischen Gemeinde, die allerdings schon bei den Pogromen im November 1938
durch Sprengung weitgehend zerstört und verwüstet worden war 1. Die Trümmer wurden abgetragen und das Grundstück dem Bunkerbau übergeben. Der
Bunker besitzt vier Etagen und sollte ca. 820 Personen aufnehmen. Während des Krieges war er jedoch bis zu fünffach überbelegt, so dass bis zu 4000
Menschen in den engen Räumen unterkamen. Die 1,10 m dicken Außenmauern und die 1,40 m starke Abschlussdecke boten hinreichenden Schutz; bei
den Luftangriffen des Krieges wurde das Umfeld des Bunker fast völlig zerstört. Bei nahen Treffern wackelte der gesamte Bunkerbau.
In der ersten Welle des Bunkerbauprogramms wurde noch ein spezielles Augenmerk auf die städtbauliche Integration der Luftschutzbunker gelegt. Je nach Standort sollten die Bunker
ihrer Umgebungsbebauung angepasst werden. Für den Bunker Alte Knochenhauerstraße, der damals überwiegend von Fachwerkhäusern umgeben war, wurde daher
beabsichtigt, den Betonkörper straßenseitig mit einer Natursteinverblendung und einer Fachwerkattrappe zu versehen
(Entwurfsskizze 1940).
Neben ästhetischen Aspekten sollte dies auch der Tarnung dienen. Die zur Anbringung vorgesehenen Vorsprünge sind auf dem Bild gut erkenntlich. Ebenso
sollte der Bunker in der Kaiserstraße
getarnt werden. Zur Ausführung kamen diese Pläne durch den Kriegsverlauf und die damit einhergehende Materialverknappung allerdings nicht mehr. Die stilgebenden
Fachwerkhäuser standen am Ende des Krieges dann zumeist auch nicht mehr. Aber auch schon während des Krieges erkannte man, dass die zum Teil recht aufwendigen
Tarnmaßnahmen ihren Zweck nicht erreichten und ein einzelnes Gebäude in den Flächenbombardements der Alliierten sowieso keine Rolle spielte. Man verzichtete daher
in den Folgejahren auf diese baulichen Tarnmaßnahmen.
Die Bunker in Braunschweig haben eine weitere bauliche Besonderheit zu bieten: Zur schnelleren Durchlüftung nach der Benutzung und um im Alarmfall die Belegung der Schutzräume zu
beschleunigen, waren auf den Dächern der Bunker Zusatzeingänge geschaffen worden. Auf der Außenseite des Bauwerks wurden entsprechende Holztreppen angelegt, auf denen
die Schutzsuchenden das Dach erreichen konnten. Die Dachzugänge waren jedoch schmal und zudem in einigen Fällen ohne Gasschleuse ausgestattet, so dass sie eigentlich als
baulicher Schwachpunkt angesehen werden müssen. Gegen Ende des Krieges kam es zudem zum Beschuss der Treppenzugänge durch Tiefflieger, was mehrere Opfer forderte.
Nach dem Krieg fand der Bunker als Notquartier Verwendung. Einige Familien bewohnten den Betonblock bis Mitte der Fünfziger Jahre. Auch in der Kaiserstraße wurde der Bunker
als Wohnraum genutzt. Die hygienischen Zustände dieser Behelfsunterkünfte waren jedoch meist mangelhaft, was nicht zuletzt daran lag, dass die Bunker nie für einen Daueraufenthalt
ausgelegt waren. Am 16. Juli 1956 stellt ein Bericht des Gesundheitsamts Braunschweig fest:
Für die [52] Bewohner des stark gesundheitswidrigen Bunkers Kaiserstraße würde von der Verwaltung nichts getan, sie könnten dort verkommen bzw. weiter gesundheitlich Schaden nehmen. [...] Man könne sich seitens der verantwortlichen Stellen davon überzeugen, daß stets ein erheblicher Teil der Insassen in ärztlicher Behandlung sei bzw. sich sogar in stationärer Behandlung wegen chronischer Erkältungen, Kreislaufstörungen usw. befinde. Daran sei der ständige Sauerstoffmangel, die ungewöhnliche Kälte und Feuchtigkeit, die mangelhafte Beleuchtung usw. schuld.
Der Bunker Kaiserstraße wurde jedoch erst vier Jahre später endgültig geschlossen und 1990 für Zwecke des Zivilschutzes umgebaut. Der Bunker Alte Knochenhauerstraße wurde bereits
1980/81 zu einem Katastrophenschutzraum umgebaut. Einer der ursprünglichen Haupteingänge und der alte Notausgang wurden versiegelt und durch einen neuen seitlichen
Eingang ersetzt. Zudem wurde modernere Technik installiert und die sanitären Anlagen erneuert. Die Raumaufteilung selber sowie die Treppenhäuser sind jedoch noch in einem
relativ originalen Zustand. Auch der Dachausgang existiert noch.
Lange Zeit wurde der Bunker im Auftrag des Bundes von der Stadt Braunschweig unterhalten. Er konnte im Jahr 2000 während des Tags des offenen Denkmals besucht
werden und ist sonst verschlossen. Eine Gedenktafel an der Vorderseite des Bunkers erinnert seit 1975 an die zerstörte Synagoge.