In der Anfangszeit des Bunkerbaus waren die Erkenntnisse über bombensichere Bauwerke noch sehr unzureichend. So beschäftigte sich der 1933 gegründete
Reichsbauausschuss für Luftschutz auch zuerst mit der wissenschaftlichen Erforschung von Materialien und Bauweisen, die in den Bunkerbau
einfließen sollten. Obwohl sich dies später als nachteilig erweisen sollte, wurde so eine Richtlinie erarbeitet, nach der Luftschutzbunker (Sonderbauten genannt)
in der Regel unterirdisch angelegt werden sollten und nicht notwendigerweise über eine Armierung verfügen mussten. Zudem waren auch noch Ziegel als Baustoff
erlaubt (vgl. 2. Ausführungsbestimmungen zum § 1 der 2. DVO: Sonderbaubestimmungen).
Dies führte dazu, dass Bauwerke nach dieser Vorschrift später bestenfalls als splittersicher gelten konnten.
Bei der einsetzenden systematischen Erforschung und Entwicklung des Bunkerbaus wurde im Jahr 1937 in Braunschweig das »Institut für baulichen Luftschutz«
an der Technischen Hochschule gegründet, das sich schnell zur führenden Einrichtung dieser Forschungssparte entwickelte. Leiter dieses Instituts war Prof.
Theodor Kristen. Unter seiner Leitung wurde die Forschung zu Stahlbetonbunkern schnell vorangetrieben. Um auch praktische Testergebnisse zu erhalten, war es
nötig, zumindest Betonmodelle Probesprengungen auszusetzen. So erhielt das Institut 1939 ein Gelände im Querumer Forst bei Braunschweig, auf dem Spreng-
und Beschussversuche stattfanden. Weitere Tests mit Bauwerken im Maßstab 1:1 wurden auf Truppenübungsplätzen in der Lüneburger
Heide gemacht. Ziel der Forschungen war eine größtmögliche Robustheit bei minimalem Materialeinsatz. Man fand so u.a. heraus, dass Stahleinlagen
im Beton die Explosionsenergie aufnehmen und durch die plastische Verformung vollständig abschwächen können und zusätzlich den Beton verstärken. Aus diesen
Erkenntnissen entstand die später sogenannte Braunschweiger Bewehrung. Diese besteht aus mehreren in den
Beton eingelassenen Schichten Stahldrahtmatten (Durchmesser 10 mm) in einem fest definiertem Abstand. Man hatte festgestellt, dass der Beton an den Innenseiten
von Decke und Außenwänden stärker bewehrt werden musste als auf der Außenseite. Durch die verhältnismäßig große Maschenweite konnte bei der
Braunschweiger Bewehrung noch eben flüssiger Beton eingebracht werden, der zudem auch mit groben Zuschlagstoffen versehen werden konnte und somit billiger war.
Die Konstruktion erhielt trotzdem eine höhere Festigkeit bei Bombentreffern und benötigte zudem auch weniger Stahl (ca. 30 kg/m³). Da es sich bei der
Braunschweiger Bewehrung um eine Entwicklung im Staatsauftrag handelte, mussten auch keine Lizenzgebühren entrichtet werden.
Ein weiteres Forschungsgebiet war die Betonzusammensetzung der Bunkerbauten. Den Festungswerken und Bunkern der in Europa besetzten Länder (z. B. der
Maginot-Linie in Frankreich) wurden Betonproben entnommen und zur Auswertung nach Braunschweig geschickt. Hier untersuchte man die Eigenschaften des Betons hinsichtlich
seiner Festigkeit. Bei der Braunschweiger Bewehrung wurde so Beton verwendet, der eine Körnung besaß, die der russischer Bunker entsprach.
Im Herbst 1943 wurde das Institut erstmals selbst Ziel von Luftangriffen, so dass Teile des Instituts ausgelagert werden mussten. Es häuften sich auch die Beschwerden von Seiten
des benachbarten Flughafens: An einigen Gebäuden waren Risse festgestellt worden, die auf die Sprengversuche im Querumer Forst zurückgeführt wurden. Im Sommer 1944
siedelte das Institut dann vollständig auf den Übungsplatz Ehra-Lessien bei Wolfsburg um. Dort konnten nun auch Spreng- und Beschussversuche an Modellen im Maßstab
1:1 stattfinden.
Bereits im Mai 1938 wurde dem Institut für Baustoffkunde an der TH Braunschweig, ebenfalls unter Professor Theodor Kristen, die Erlaubnis zum Prüfen gasdichter Schutzraumabschlüsse (Luftschutztüren u.ä.) erteilt. Es gehörte damit zu den Prüfstellen im Reich, die Raumabschlüsse für die Erteilung einer Vertriebsgenehmigung nach § 8 des Luftschutzgesetzes prüfen durften. Weitere Prüfstellen befanden sich in Berlin-Dahlem, Darmstadt, Dresden, München, Stuttgart, Nürnberg und Breslau.
Nach dem Krieg machten sich die Alliierten die Erkenntnisse dieser Forschungen zu nutzen. Kristen übergab die Forschungsergebnisse den Amerikanern und erhielt bereits
1947 durch die Militärregierung wieder einen Lehrstuhl für Baustoffkunde an der TH Braunschweig. 1953 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Heute findet man auf dem ehemaligen Forschungsgelände im Querumer Forst nur noch wenige Reste, die auf die Betonforschungen hinweisen (s. Bilder). Auffällig
ist jedoch die große Anzahl von Bombentrichtern unterschiedlichster Größe, die im gesamten Umkreis des Geländes zu finden sind und wohl daher rühren,
dass das Gelände inmitten strategisch wichtiger Bombenziele (Flughafen Waggum, ehem. Luftnachrichtenkaserne und Industrie in Kralenriede und Bienrode) lag.