Bunkerbauten aus Stahlbeton boten im Bombenkrieg den einzig wirksamen Schutz für die Zivilbevölkerung. Daher war es von besonderem Interesse, diese Bauten
möglichst sicher und dabei materialsparend zu bauen. Hierbei kam speziell der in den Beton eingelassenen Schutzbewehrung besondere Bedeutung zu. Unter
einer Schutzbewehrung versteht man den Teil der Stahleinlagen, der statisch nicht erforderlich ist und nur die Aufgabe hat, die Wirkung des Bombenaufschlags
bzw. der Detonation auf den Bau möglichst gering zu halten und die Insassen vor Schäden zu bewahren.
In Modell- und Großversuchsreihen wurde ab 1939 vom Institut für baulichen Luftschutz der TH Braunschweig ermittelt, welche der damals gängigen
Bewehrungsarten für die Zwecke des Luftschutzes am geeignetsten war. An die Schutzbewehrung wurden folgende Forderungen gestellt:
- möglichst geringer Stahlverbrauch
- trotzdem möglichst hohe Schutzwirkung
- größtmögliche Betonfestigkeit (grobkörniger Beton mit geringem Wassergehalt)
Aufgrund der Versuchsergebnisse konnte auch die Entwicklung einer neuen Schutzbewehrungsart, der später sogenannten Braunschweiger Bewehrung vorangetrieben werden (s.u.). Zunächst musste man sich jedoch über die Wirkung von Bomben auf Betonkörper im klaren sein.
Wirkung von Bomben auf Beton- und Stahlbetonbauten
Bei einer unbewehrten Betondecke entsteht an der Aufschlagseite der Bombe durch die Wucht des Aufpralls und die entstehenden Sprenggase eine
muldenförmige Vertiefung, der sogenannte Sprengtrichter. Durch die Sprengung wird eine Stoßwelle ausgelöst, die sich im Beton etwa halbkugelförmig um den
Detonationspunkt ausbreitet und auf der Unterseite der Decke zu Absprengungen führt (die sogenannte Sprenglinse). Zwischen Sprengtrichter und Sprenglinse
bleibt, sofern kein Durchschlag erfolgte, eine erschütterte Betondecke stehen. Je größer dabei die Festigkeit und das Raumgewicht des Betons, desto kleiner sind
die Schäden durch Absprengungen. Bei den Versuchen wurde auch festgestellt, dass eine senkrecht, mit der Spitze auftreffende Bombe einen kleineren Sprengtrichter
erzeugt als eine Bombe, die mit ihrer Längsseite auf dem Beton auftrifft.
Bei einem Stahlbetonkörper entsteht ein ebenfalls ein Sprengtrichter gleicher Größe, die Stahleinlagen haben hier keine hemmende Wirkung. Auch bildet
sich auf der Innenseite eine Sprenglinse. Ein wesentlicher Unterschied ist hierbei, daß es sofern die Stahleinlagen eng genug zusammengefügt sind
keine Absprengungen in den Innenraum gibt: Die entstehende Bewegungsenergie wird in die Verformung der Stähle umgeleitet, was an der Innenseite zur Entstehung
einer Ausbauchung führt. Die Stahleinlagen werden nach unten hin also stärker beansprucht.
Im folgenden wurden nun die verschiedenen gängigen Bewehrungsarten getestet. Man unterschied dabei zwischen Schutzbewehrungen mit gleichmäßiger und mit
ungleichmäßiger Stahlverteilung:
Schutzbewehrungen mit gleichmäßiger oder vorwiegend gleichmäßiger Stahlverteilung
Kubische Bewehrung:
Die kubische Bewehrung ist die älteste in Deutschland verwandte. Die Stahleinlagen werden dabei in alle drei Raumrichtungen gleichmäßig verteilt und durch möglichst enge
Vermaschung (10-15 cm) verbunden. Der Durchmesser der Stahleinlagen beträgt 10-12 mm. Der Stahlgehalt lag ursprünglich bei rund 150 kg je Kubikmeter fertigen Betons.
Durch die geringe Maschenweite wird jedoch die Verarbeitung wasserarmen Betons erschwert, was bei großen Baudicken besonders nachteilig ist (längere Aushärtung,
geringere Festigkeit). Eine Verringerung des Stahlgehalts führt zu einem raschen Absinken der Schutzwirkung, unterhalb von 60 kg/m³ ist praktisch keine Schutzwirkung
mehr vorhanden.
Benzinger Bewehrung:
Die von der Firma Saardrahtwerke GmbH unter der Patentnummer DRP 692014 angemeldete Konstruktion für bombensichere Bauten besitzt ein Bewehrungsgewicht
von 60 kg/m³. Sie besteht aus einem Drahtgeflecht (Drahtdurchmesser 2,5 mm) von 8 cm Maschenweite, das durch Stähle von 8 mm Durchmesser
gehalten wird. Eine Bewehrungslage hat eine Höhe von 15 cm und wird jeweils einzeln betoniert; die einzelnen Lagen werden durch Stahlklammern verbunden.
Obwohl die Benzinger-Bewehrung für dynamische Beanspruchungen, z. B. im Straßenbau, gut geeignet ist, zeigte sich bei Sprengversuchen, dass die lagenweise Betonierung
zu einem Abplatzen führt und die Drahtmatten zu dünn waren und zerrissen.
Spiralbewehrung der Firma Dykerhoff & Widmann KG:
Im Unterschied zur kubischen Bewehrung wird hier in einer der Raumrichtungen eine fortlaufende, aus spiralig gewundenen Stählen bestehende Matte eingesetzt. An der Ober-
und Unterseite des Baukörpers befinden sich gerade Stähle. Neben einer vereinfachten Verlegung der Spiralmatte sollte diese auch an der Sprenglinse durch Aufnahme der
Schubspannungen eine bessere Verankerung des Betons bewirken. Spreng- und Beschussversuche zeigten jedoch, dass es in der ersten Ausführungsform
keine wesentlichen Vorteile gegenüber der kubischen Bewehrung gab. Die Spiralbewehrung wurde verändert (Ausführungsform nach den Anweisungen für den Bau
bombensicherer LS-Räume, Fassung November 1940). Der Stahlgehalt betrug nun rund 70 kg/m³. Weitere Längs- und Quereisen waren eingefügt worden, die
Übereinstimmung mit der kubischen Bewehrung war noch weitgehender. Die Schutzwirkung war dennoch besser als bei dieser. Der Stahlbedarf galt jedoch als zu hoch.
Bei einer Herabsetzung auf das gewünschte Maß von ca. 30 kg/m³ verlor die Spiralbewehrung ihre Schutzwirkung rasch.
Gitterraumbewehrung der Firma Luz-Bau GmbH:
Hierbei verlaufen die Stähle in zwei Raumrichtungen so, dass sie zur dritten unter 60 Grad geneigt sind. Dabei entsteht in einer Richtung eine zusammenhängende Matte.
Auch hier gibt es eine starke Ähnlichkeit zur kubischen Bewehrung. Der Unterschied besteht darin, dass bei der Gitterraumbewehrung die nicht von Stählen durchzogenen
Betonquader von schrägen Stählen umgeben sind. Diese konstruktive Eigenart führte jedoch bei Versuchen dazu, dass der Baukörper zu Rissbildung entlang der zusammenhängenden
Stahlmatten neigte. Die Schutzwirkung wurde mit der der neueren Spiralbewehrung gleichgesetzt.
Einheitsschutzbewehrung nach Vorschlag des Reichsluftfahrtministeriums (RLM):
Bei dieser Bewehrungsart wurde die Vorteile der vorgenannten Arten kombiniert: Spiralmatten und die schrägen Steckstäbe der Gitterraumbewehrung wurden mit
weiteren Längs- und Querstäben kombiniert. Es ergab sich eine insgesamt etwas günstigere Schutzwirkung als bei den übrigen Bewehrungsarten mit gleichmäßiger
Stahlverteilung.
Schutzbewehrungen mit ungleichmäßiger Stahlverteilung
Braunschweiger Bewehrung nach den Bestimmungen für den Bau von LS-Bunkern, Fassung Juli 1941:
Bereits früh hatten die durchgeführten Sprengversuche ergeben, dass der Baukörper bei einer Sprengung an der Unter- bzw. Innenseite am stärksten belastet wird. Aufgrund
dieser Erkenntnisse wurde die erste Form der Braunschweiger Bewehrung geschaffen. In den Bestimmungen für den Bau von LS-Bunkern, Fassung Juli 1941
wurde die als Braunschweiger Schutzbewehrung bezeichnete Bauform ein einzige Bewehrungsart reichseinheitlich zugelassen. Die Konstruktionsgrundsätze
sind dabei im wesentlichen:
- Anordnung von rund 60% des Gesamtstahlgehaltes an der Unter- bzw. Innenseite des Baukörpers
- Große Maschenweiten der Stahleinlagen, außer bei der untersten Stahlmatte (die das Betonieren aber nicht behindert).
Das Bewehrungsgewicht betrug nur etwa 30 kg/m³ bei einer mindestens ebenso großen Schutzwirkung wie die der bisherigen Bewehrungsarten mit 55 bis 80 kg/m³.
Dies wurde in Modell- und Großversuchen der Luftwaffe überprüft, die Braunschweiger Schutzbewehrung erwies sich dabei den anderen Bewehrungsarten deutlich
überlegen: Während die Braunschweiger Bewehrung nach der vierten Testsprengung noch immer standhielt und eine Ausbauchung von 41 cm aufwies, war die kubische Bewehrung
vollständig und mit drei Metern lichter Weite durchschlagen. Dies lag auch daran, dass dank der größeren Maschenweite wasserarmer Beton mit einer hohen Betonfestigkeit
verwendet werden konnte.
Großgitterraumbewehrung der Firma Luz-Bau GmbH:
Bei der Großgitterraumbewehrung wurde die Gitterraumbewehrung nach dem Muster der Braunschweiger Bewehrung geändert. Zusätzliche Matten und Stahlstäbe führten dazu, dass
der Hauptstahlanteil nach unten bzw. innen gelegt wurde und auch ein engmaschiges Netz an der Unterseite vorhanden war. Diese Bewehrungsart war zwar der kubischen und
der Spiralbewehrung überlegen, konnte jedoch nicht die Zuverlässigkeit der Braunschweiger Bewehrung erreichen, da auch hier wie bei der normalen Gitterraumbewehrung
eine Neigung zur Rissbildung festgestellt wurde.
Wellenmattenbewehrung:
Die Wellenmattenbewehrung stellte wiederum eine Verbesserung der Großgitterraumbewehrung dar. Bei den durchlaufenden Matten, die eine Wellenform besaßen, wurden
scharfe Ecken vermieden. Im unteren Drittel sind weitere kleine Wellenmatten verlegt, in deren Kreuzungspunkten Quereisen eingesteckt sind. Bei Modellversuchen
erwies sich diese Anordnung für Baudicken von zwei Metern den anderen Bewehrungen, auch der Braunschweiger Bewehrung nach der Fassung vom Juli 1941, überlegen.
Braunschweiger Bewehrung neuere Fassung:
Die ursprüngliche Braunschweiger Bewehrung war für die 1,40-Meter starken Decken der Bunker der ersten Bauwelle konzipiert gewesen. Für die zweite Bauwelle, die bereits
Deckenstärken ab zwei Metern vorsah, wurde die Konstruktion angepasst. Weitmaschige Matten wurden in verschiedenen Höhen integriert. Weitere Veränderungen führten
dazu, dass die neue Braunschweiger Bewehrung gegenüber der alten, aber auch gegenüber der Wellenmattenbewehrung eine höhere Schutzwirkung hatte. Das
Bewehrungsgewicht von 30 kg/m³ blieb dabei erhalten. Wichtig war die Erkenntnis, dass für verschiedene Deckenstärken unterschiedlich starke Stähle zu verwenden
waren (eine größere Baudicke benötigte dickere Stähle und größere Abstände der Stahleinlagen). Die Bewehrung befand sich nur noch in den unteren zwei Dritteln der
Baudicke, das obere Drittel blieb unbewehrt.
Halbkreisbewehrung der Firma Dykerhoff & Widmann KG:
Die Bewehrungsart entspricht im wesentlichen der neuen Braunschweiger Bewehrung. Lediglich die Art der Verankerung der untersten Matte wurde anders gelöst (durch halbkreisförmig
gebogene Stähle anstelle von geraden Bügeln).