Schutz von Kulturgütern und Brandschutz
Auch wertvolle Baudenkmäler und Kulturgüter wurden in die Luftschutzmaßnahmen einbezogen. So wurden Fachwerkhäuser verschalt oder
die wertvollen Schnitzereien sogar abgenommen (Gilde-Haus). Auch die Museen, Bibliotheken und Archive lagerten den Großteil ihrer Bestände aus (so wurde
z. B. der Braunschweiger Löwe in den Rammelsberg bei Goslar verbracht) 1. Viele
Kulturgüter blieben so erhalten viele sind aber auch bei der späteren Rückführung abhanden gekommen und
gelten bis heute als vermisst 2.
Da die Innenstadt besonders brandgefährdet war (viel Fachwerk bei geschlossener Bebauung) und im Fall eines Angriffs mit dem Zusammenbruch der
Löschwasserversorgung gerechnet wurde, legte man ein unabhängiges Netz von Zisternen, Feuerlöschteichen, Brunnen und Wasserentnahmestellen
an der Oker und den Regenwasserkanälen an (Liste). Als Brandschutzmaßnahme mussten Dachböden
entrümpelt werden 3, in den Treppenhäusern fanden sich Wassereimer, Sandtüten und Feuerpatschen.
In den Kellern privater Wohnhäuser wurden die Decken verstärkt und abgestützt, zusätzliche Notausgänge und Wanddurchbrüche
angelegt. Zum Schutz vor Splittern und Trümmern wurden die Kellerfenster der Luftschutzräume zugemauert (Bild)
oder mit speziellen, übereinander geschichteten Betonformsteinen geschützt. Wasserfässer wurden in den Kellern aufgestellt, Handfeuerspritzen, Werkzeuge,
Hausapotheken und Verbandsmaterial wurden Pflichtausstattung 4 (Liste).
Außen am Haus wurden mit weißer Farbe Pfeile und Bezeichnungen wie LSR (Luftschutzraum) angebracht, die im Notfall den Rettern das
Auffinden der Luftschutzräume erleichtern sollten. Die Zeichen befinden sich heute teilweise immer noch an Häusern (Fotoseite).
Die Krankenhäuser wurden auf den Dächern mit großen roten Kreuzen gekennzeichnet, was sie allerdings später nicht schützen sollte.
Maßnahmen für Industrie und Infrastruktur
In den größeren Industriebetrieben wurde der sogenannte "Werkluftschutz" aufgebaut und ausgebildet. Für die (deutsche) Belegschaft wurden eigene Schutzräume
angelegt und z.T. auch Bunker gebaut; in den Betrieben beschäftigte Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene durften diese Räume in der Regel nicht nutzen, es gab aber auch
Ausnahmen (Bild). Notbelegschaften, also Personen, die
den Arbeitsplatz auch bei Alarm nicht verlassen durften, erhielten splittersichere Schutzzellen.
Auch schwer ersetzbare Maschinen und Ausrüstungen sollten durch gesonderte Splitterschutzmaßnahmen vor Schaden bewahrt werden. Es gab sogar splittersichere
Schränke für Akten und Schreibmaschinen. Brandwachen sollten bei entstehenden Bränden umgehend die Werksfeuerwehren alarmieren können.
Auch wichtige Infrastrukturbauten, wie Elektrizitäts- und Umspannwerke, Tanklager, Fernrohrleitungen etc. wurden so gut es möglich war vor Splittereinwirkung geschützt
(Bild). Ein Schutz vor direkten Bombentreffern war
hier nicht möglich.
Reichsluftschutzbund
Allgemein wurde versucht, die gesamte Bevölkerung für die Belange des Luftschutzes zu aktivieren und zu sensibilisieren. Eine wesentliche Funktion hatte dabei der
am 29. April 1933 gegründete Reichsluftschutzbund (RLB), der mit Hilfe vielfältiger Werbemittel die Bevölkerung informieren und aufklären sollte.
Neben Plakaten (Propaganda im Luftschutz) wurden Filme gezeigt, Ausstellungen und Schauvorführungen
organisiert, sowie Luftschutzübungen durchgeführt. Zeitschriften wie Die Sirene Illustrierte Zeitschrift mit den Mitteilungen des Reichsluftschutzbundes
und Broschüren mit Verhaltensregeln rundeten das Programm ab.
Der RLB hatte daneben die Aufgabe, die Selbstschutzkräfte und Amtsträger für den zivilen Selbstschutz auszubilden. Dazu gab es im Jahr 1937 bereits 5088 Luftschutzschulen,
an denen 28000 Luftschutzlehrer tätig waren. Der RLB selber hatte bereits über 66000 Dienststellen 5 und etwa
12 Millionen Mitglieder. Die hohe Mitgliederzahl beruhte nicht zuletzt darauf, dass der zu entrichtende Jahresbeitrag lediglich eine Reichsmark betrug 6.
Juden und ihre Ehepartner, Ausländer und Staatenlose waren von der Mitgliedschaft im RLB ausgeschlossen.
Sirenen
Waren feindliche Bomberverbände im Anflug, so wurde die Bevölkerung über zuletzt 58 Luftschutzsirenen alarmiert. Diese standen an ausgesuchten Orten im gesamten Stadtgebiet und in den einzelnen Ortsteilen (Liste der Standorte) und wurden zentral vom Luftflottenkommando am Franzschen Feld (später aus dem Nussbergbunker) ausgelöst. Zuerst wurde Voralarm gegeben, ein minutenlanger Wechsel von einem zwölfsekündigen Sirenenton und von 12 Sekunden Pause. Dabei bestand für die Bevölkerung meist noch keine unmittelbare Gefahr. Fliegeralarm (Vollalarm) wurde ausgelöst, wenn Bomberverbände im direkten Anflug auf Braunschweig waren und mit einem Angriff gerechnet werden musste. Das Signal hierfür war ein Heulton, der in einer Periode von vier Sekunden sinusförmig zwischen den Tonhöhen 200 und 400 Hz wechselte. Die Dauer dieses Signals betrug in der Regel zwei Minuten. War der Angriff vorbei und die Flugzeuge im Abflug, so wurde nach der Vorentwarnung die Entwarnung gegeben (1 Minute Sirenen-Dauerton, 400 Hz) 7.
Verdunklung
Nachts und besonders natürlich bei Alarm war totale Verdunkelung angeordnet (vgl. Vorschriften der Verdunklungsverordnung).
Die Straßenbeleuchtung wurde abgeschaltet. Nur an wenigen verkehrsreichen Plätzen standen Laternen, in denen spezielle Luftschutz-Richtlampen ein
schwaches Licht abgaben; Bordsteine, Straßenbäume und hervorstehende Gebäudeteile wurden mit mit weißer Farbe markiert (nach §28 der 8. DVO zum
Luftschutzgesetz). Fußgänger hatten oft schwach leuchtende Plaketten an ihrer Kleidung damit man sich gegenseitig nicht umrannte.
Auf die Verdunklungszeiten wurde zunächst jeden Tag in der lokalen Presse hingewiesen, später wurde festgelegt, dass von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang
zu verdunkeln war 8. Auf dem Markt wurden zahlreiche Produkte zu Verdunklung angeboten (Verdunklungsstoffe, -Rollos,
-Jalousien, -Papier, Blenden für Leuchten und Lampen usw.).
Weitere Maßnahmen
Um Bombentreffer wirksam und schnell bekämpfen zu können, wurden Luftbeobachter eingesetzt, die bei Vollalarm auf hohen Türmen und Gebäuden
nach Abwürfen Ausschau hielten. Solche Gebäude waren z. B. der Hochbunker Salzdahlumer Straße-Bebelhof, das Rathaus oder der St.-Andreas-Kirchturm.
Aufgrund mangelnder Effektivität wurde auf die Turmbeobachter jedoch ab Mitte 1944 wieder verzichtet.
Eine ähnliche Aufgabe hatten auch die sogenannten Splitterschutzzellen, auch Beobachtungsbunker für Einzelpersonen
oder meist einfach Einmannbunker genannt (Seite zu Splitterschutzzellen), die ebenfalls zur schnellen Alarmierung bei
Bombentreffern dienten oder als behelfsmäßige Schutzräume aufgestellt wurden. Die meist runden und etwa 2,50 Meter hohen Gebilde waren aus eisenbewehrtem
Beton (in der Anfangszeit auch aus Stahl) hergestellt und hatten in der Regel eine Wanddicke bis zu 25 cm. Die Einstiegsluke wurde durch eine starke Blech- oder Betontür
verschlossen. Durch rundum angeordnete Sehschlitze konnte die Umgebung beobachtet werden.
Heutige Anlagen
Viele der alten Bunker wurden nach dem Krieg einer zivilen Nutzung zugeführt und umgebaut oder standen lange Zeit ungenutzt leer. Im Verlauf des Kalten Krieges wurden
dann einige der verbliebenen Bunker modernisiert und an die neuen Erfordernisse angepasst, so z. B. die Bunker Kaiserstraße (650 Zivilschutzplätze),
Petritorwall (430 ZS-Plätze) und Alte Knochenhauerstraße (1318 ZS-Plätze). Weitere öffentliche
Schutzplätze existierten im Bunker Alte Waage (625 ZS-Plätze), in der Tiefgarage Eiermarkt (1774
ZS-Plätze) und an der Gliesmaroder Straße / Ecke Hagenring (Tiefgarage, ZS-299 Plätze). Diese Bunker waren jedoch nur für einen kurzen Aufenthalt
eingerichtet und eher als Katastrophenschutzeinrichtung zu sehen. Bei normaler Belegung boten alle öffentlichen Schutzräume in Braunschweig etwa
5100 Menschen Platz (Das entsprach ca. 1,9% der Bevölkerung). Daneben existiert noch etwa ein halbes Dutzend privater Schutzräume. Wohnhäuser aus der Zeit
des Kalten Krieges verfügten manchmal auch über Einbauten für der Luftschutz (Bild).
Die öffentlichen Maßnahmen zum Luftschutz wurden nach der Beendigung des Ost-West-Konfliktes Anfang der 1990er Jahre weitgehend eingestellt bzw. auf den reinen
Unterhalt der bestehenden Anlagen zurückgefahren.
Die Terrorattacken auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington am 11. September 2001 und die Androhung terroristischer Angriffe mit
chemischen oder biologischen Waffen rückte die Frage nach den öffentlichen Schutzeinrichtungen wieder ins Blickfeld der Allgemeinheit. Es kann jedoch
festgestellt werden, dass die Anlagen Aufgrund der langen Vorlaufzeit zur Einrichtung der Bunker (benötigt würden u. U. einige Tage zur Installation von Luftfiltern etc.)
für solche Ereignisse nicht vorbereitet und auch nicht konzipiert waren. Ebenso kann man sagen, dass mit der Entwicklung von satellitengeführten bunkerbrechenden
Marschflugkörpern kein wirksamer Volltrefferschutz mehr möglich ist.
Ende 2007 wurde beschlossen, dass die Bundesrepublik aus Gründen der Ersparnis und der geänderten weltpolitischen Lage ihr Schutzraumkonzept ganz aufgeben
wird. Die im Bundesbesitz befindlichen Schutzbunker sollen also verkauft oder rückgebaut werden, was oftmals wohl einem Abriss gleichkommt
(vgl. Nachnutzung der Bunker).
Im Rahmen des Ukraine-Kriegs 2022 wird von der Stadt Braunschweig bekannt gemacht, dass alle Bunker und Schutzräume in der Stadt nach den Vorgaben des Bundes entwidmet
wurden und nicht mehr für ihre ursprüngliche Nutzung vorgesehen sind 9.